Delegitimierung des Staates

Da sich die Bürgerproteste gegen die Energie-, Migrations-, Klima-, Corona– und  Ukrainepolitik immer weniger eindeutig als rechts-, links– oder Islam-extremistisch einordnen lassen, hat der am 7.6.2022 veröffentlichte Verfassungsbericht 2021 des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) die „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ als neuen Straftatbestand (Rubrik bzw. Phänomenbereich) benannt:
„Mit dem Beginn der Coronapandemie und der Durchsetzung staatlicher Beschränkungsmaßnahmen zur Bekämpfung der Lage kam es in Deutschland zu gesellschaftlichen Diskussionen und legitimen Protestaktionen gegen diese Maßnahmen. In einigen Fällen gingen die öffentlich geäußerten Meinungen oder Aktionen von Personenzusammenschlüssen und Einzelpersonen jedoch über einen solchen legitimen Protest hinaus und wiesen tatsäch­liche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen auf. Die Zuordnung der in diesem Zusammenhang maßgeblichen Personenzusammenschlüsse oder Einzelpersonen zu einem der Phä­nomenbereiche des Verfassungsschutzes ist in vielen Fällen nicht möglich. Das BfV hat daher im April 2021 den neuen Phänomenbereich ‚Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates‘ eingerichtet.“
https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/publikationen/themen/sicherheit/vsb-2021-gesamt.html sowie
https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/verfassungsschutzbericht-2021-2047762
https://www.tagesschau.de/inland/verfassungschutzbericht-101.pdf

Diese Begründung des BfV mag insofern verständlich sein, als sich die anfängliche mediale Zuordnung von Demonstrationen als rechtsextremistisch bis hin zu Nazi immer weniger glaubhaft erscheint bzw. die Rechts-Links-Dichotomie als insgesamt unzutreffend erwiesen hat.
Was aber ist „verfassungsschutzrelevant?“ Dazu der Verfassungsbericht:
„Sie (die demonstrierenden Bürger) machen demokratische Entscheidungsprozesse und Institutionen von Legislative, Exekutive und Judikative verächtlich, sprechen ihnen öffentlich die Legitimität ab und rufen zum Ignorieren behördlicher oder gerichtlicher Anordnungen und Entscheidungen auf.“
Auch diese Formulierung ist nicht praktikabel, denn was heißt „verächtlich“? Zudem gibt es kein Recht auf Achtung der Repräsentanten durch das Volk. Wann macht der Bürger Institutionen bzw. deren Vertreter (Bundestag bzw. Abgeordnete, Regierung bzw. Minister) verächtlich? Wenn man den MdB Alexander Gauland für sein „Mückenschiss der Geschichte“ einen Verrückten nennt? Wenn man Annalena Baerbock für ihre Forderung „Russland ruinieren“ als Größenwahnsinnige bezeichnet?
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Suchen wir weiter im Verfassungsbericht 2021: „Hierdurch kann das Vertrauen in das staatliche System insgesamt erschüttert und dessen Funktionsfähigkeit beeinträchtigt werden. Eine derartige Agitation steht im Widerspruch zu elementaren Verfassungsgrundsätzen wie dem Demokratieprinzip oder dem Rechtsstaatsprinzip.“
Das BfV sorgt sich also um das Vertrauen der Zivilgesellschaft in den Staat, um den „Consent of the Goverened„. Eigentlich ein noble Geste, nur: Ist es nicht umgekehrt Aufgabe der Politiker mitsamt BfV, das laut allen Umfragen seit spätestens 9/2015 rapide sinkende Vertrauen der Bürgerschaft erst gar nicht entstehen zu lassen bzw. nach nach dessen Wurzeln zu suchen?

Vereinnahmung durch Rechtsradikale
Endlich konkreter wird das BfV mit diesem Statement:
„So war das Protestspektrum immer wieder Vereinnahmungsversuchen aus dem rechtsextremistischen Milieu und aus der Szene der ‚Reichsbürger‘ und ‚Selbstverwalter‘ ausgesetzt. Obwohl diese nur zum Teil erfolgreich waren, zeigten sich mit fortdauernder Pandemielage und entsprechend fortlaufend angepassten staatlichen Gegenmaßnahmen zunehmend besorgniserregende Tendenzen im Protestgeschehen. Verschwörungsmythen, häufig mit Elementen antisemitischer Ressentiments, werden in weiten Teilen der Protestszene inzwischen selbstverständlich verbreitet.“
Links- und religiös motivierte Demonstranten werden also ignoriert, es geht ausschließlich um den „Kampf gegen Rechts“, der laut Bundesinnenministerin Nancy Faeser größten Gefahr.

Geht es mit der Kreierung des neuen Phänomenbereichs „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ also im Grunde nur um die Legitimierung des von der Ampel mit Millionenbeträgen geförderten „Kampfes gegen Rechts“ (siehe (3))?
Mutiert damit der Verfassungsschutz mehr und mehr zum Staatsschutz (1)?
Sind wir dabei, eine Art Wahrheitsministerium zu erhalten (siehe (2)?
Chaim Noll hinterfragt, warum ein Staatsorgan wie das BfV seine Bürger zu „Sammelbeobachtungs-Objekten“ (siehe (4)) erklären kann. Wo doch der Bürger der Souverän und das BfV eine von ihm beauftragte staatliche Institution ist – und nicht etwa umgekehrt?
Mit der „Verächtlichmachung“ von Politikern bzw. staatl. Institutionen verwendet das BfV einen alten DDR-Strafrechtsbegriff (siehe (5)). Was bedeutet dies?
Fragen über Fragen tun sich auf. Wo sind die staatlichen Institutionen als Dienstleister des Bürgers, die Antworten geben?
15.6.2022
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(1) Der Phänomenbereich verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates
… Der delegitimierte Staat und Haldenwangs Verfassung
Da nun ist es von hoher Relevanz, dass Haldenwang als Objekt der durch das BfV abzuwehrenden Delegitimation nicht mehr die Verfassung nennt, sondern den Staat. Womit wir nun auch offiziell und ohne jede Gefahr einer Gegendarstellung oder anderer juristischer Schritte den Thomas Haldenwang einen vom Verfassungs- zum Staatsschützer mutierten Verwaltungsjuristen nennen dürfen. Denn Verfassung und Staat sind nun einmal nicht identisch – was ein Jurist auch dann, wenn er sein Leben in Personalabteilungen verbracht hat, wissen sollte.
Nun ja, vielleicht weiß er es nicht. Aber dann weiß es auch niemand in seinem Hause und niemand in dem ihm vorgesetzten Bundesministerium des Innern. Was wiederum nicht nur bedauerlich ist, sondern auch einen gewissen Schreck nicht verbergen lässt, hat sich doch in der deutschen Geschichte auf deutliche Weise gezeigt, wie kurz der Weg von Staatsschutz zur Staatssicherheit sein kann. Vor allem dann, wenn ein Amt, das die Aufgabe hat, gegen die Verfassung gerichtete Vorgänge zu beobachten, sich dann als Sicherheitsorgan selbst polizeiliche Gewalt aneignet und eben statt der Verfassung nun den Staat – oder noch schlimmer: die Staatspartei – schützt.
So weit ist es zwar noch nicht, aber wie heißt es so schön? – Wehret den Anfängen! Wenn ein Verfassungsschützer zum Staatsschützer wird, könnte es mit diesen Anfängen schon recht weit fortgeschritten sein.
… Alles vom 11,,6,20222 von Tomas Spahn bitte lesen auf
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/spahns-spitzwege/haldenwang-der-phaenomenbereich-verfassungsschutzrelevante-delegitimierung-des-staates/
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(2) Julian Reichelt: Bekommen wir ein Wahrheitsministerum?
So will der Verfassungsschutz bald normale Bürger überwachen, die Politiker kritisieren:
https://youtu.be/VYC0_1Fhq5E
9.6.2022

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(3) Haldenwangs Antworten auf offene Fragen
Der Verdacht drängt sich auf, dass Haldenwang seine Arbeitsplatzbeschreibung nicht richtig gelesen hat oder etwas fragwürdig interpretiert. Nicht zuletzt ist sein Arbeitgeber immer noch der Souverän, also das Volk. Wer keine Feinde hat, der schafft sich welche: Die Erscheinungen des Thomas Haldenwang .
… Alles vom 12.6.2022 von Tomas Spahn bitte lesen auf
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/spahns-spitzwege/haldenwangs-antworten-auf-offene-fragen/
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(4) „Sammelbeobachtungs-Objekt“ sind wir alle
Während eines äußeren Krieges schafft die Bundesregierung neue innere Feinde. In einem Augenblick zunehmender Gereiztheit und Verzweiflung wäre es Aufgabe des Staates, sich als Mediator zwischen die verfeindeten Gruppen zu stellen. Doch er hat offenbar wenig Interesse an innerem Frieden, im Gegenteil.

Seit gut drei Monaten ist Krieg in Europa. Dazu hohe Inflation. Eine unsichere Energie-Versorgung, um es milde zu sagen. Besonders in Deutschland, wo man bewährte Quellen demoliert und sich fast vollständig von Sibiriens fernen Schätzen abhängig gemacht hat. Die Stimmung, lese ich in deutschen Medien, sei auf dem Tiefpunkt angelangt, die Zuversicht weitgehend dahin. Eine etablierte Panik-Kultur, angefacht von schattenhaften Profiteuren, droht mit neuen Pandemien. Oder gleich mit dem Atomkrieg. Die große Gereiztheit zwischen den einzelnen Gruppen hat einen Grad erreicht, dass jeder Diskurs, jede Diskussion ins Toxische umzukippen droht.
In einem solchen Augenblick zunehmender Gereiztheit und Verzweiflung wäre es Aufgabe des Staates, die Atmosphäre zu entspannen und sich als Mediator zwischen die verfeindeten Gruppen zu stellen. Doch der Staat hat offenbar wenig Interesse an innerem Frieden und konstruktivem Miteinander: Er hetzt die ohnehin Gereizten aufeinander und erfindet neue Feinde.
„Das Bundesamt für Verfassungsschutz“, kann man neuerdings auf dessen Website lesen, „hat daher einen neuen Phänomenbereich ‚Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates‘ eingerichtet. Innerhalb dieses Bereichs wurde ein bundesweites Sammelbeobachtungsobjekt ‚Demokratiefeindliche und/oder sicherheitsgefährdende Delegitimierung des Staates‘ eingerichtet, dem die diesbezüglich relevanten Akteure zugeordnet und nachrichtendienstlich bearbeitet werden. Das Sammelbeobachtungsobjekt ermöglicht sowohl eine Bearbeitung als Verdachtsfall als auch als erwiesen extremistische Bestrebung.“
Mit anderen Worten: Ein neuer innerer Feind wird benannt, der „Phänomenbereich Verfassungsschutzrelevante Deligitimierung des Staates“, dessen „Akteure“ von nun an „nachrichtendienstlich bearbeitet“, also überwacht und gegebenenfalls verfolgt werden müssen.
… Alles vom 13.6.2022 von Chaim Noll bitte lesen auf
https://www.achgut.com/artikel/sammelbeobachtungsobjekt_sind_wir_alle

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(5) Die verlorene Würde der Bärbel B.
Der Verfassungsschutz entdeckt eine neue Demokratiebedrohung: die „Verächtlichmachung“ von Politikern. Damit holt der Geheimdienst einen alten DDR-Strafrechtsbegriff aus dem Keller. Politiker sollen vor Kritik geschützt, die Bürger delegitimiert werden.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz verwendet in seinem Bericht eben nicht nur den DDR-Strafrechtsbegriff der Verächtlichmachung, sondern auch den Geist, der darin steckt: Der Bürger schuldet dem Mandatsträger Achtung, nicht umgekehrt. Er darf ihn nicht verächtlich machen, auch wenn er sich noch so verachtenswert verhält, und jede abfällige Bemerkung über einen Funktionär trifft immer das System als Ganzes. Die herrschende Kaste witterte in der DDR auch deshalb an allen Ecken Delegitimierung, weil sie wusste, dass es mit ihrer Legitimation ziemlich schlecht stand.
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Und wenn die Welt voller Kahanes und Haldenwangs wäre. Warum sollte jemand einen Bundesgesundheitsminister achten, über dessen Lügen und Verdrehungen niemand mehr den Überblick hat? Und warum eine Bundestagspräsidentin, die es kürzlich angemessen fand, ein TikTok-Video zu senden, in dem sie mit quäkiger Stimme ein Kinderlied singt?
https://www.youtube.com/watch?v=fYyskVc3GNk
Warum soll jemand der grünen Fraktionschefin im bayerischen Landtag mehr als höfliche Verachtung entgegenbringen, die Bürger über Verzicht belehrt, selbst zum Eisessen nach Kalifornien düst und unmittelbar nach einem islamistischen Anschlag in Frankreich hampelnd, zwinkernd, dauerbelustigt und augenscheinlich nicht nüchtern ihr Maßnahmenpaket bewirbt, in dem so „tolle Sachen“ (Schulze) wie Prävention drinstehen?
https://www.publicomag.com/2020/11/der-horror-der-horror/

Welchen Grund hätte jemand, einer Luisa Neubauer – auch sie ist ja eine Repräsentantin, und wie – Achtung entgegenzubringen, die als höhere Hamburger Tochter nicht so wohlgeborenen Mitbürgern empfiehlt, die Erwerbsarbeit am besten bleiben zu lassen, falls sie nicht ihre moralischen Ansprüche erfüllt?
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Für die Repräsentanten gibt es eigentlich naheliegende Regeln, um der Verachtung zu entgehen: Seien Sie nicht korrupt. Treten Sie bei Erhebung einer Anklage zurück. Ziehen Sie sich ordentlich an. Reden Sie nur nüchtern in eine Kamera. Verachten Sie das Land und seine Bürger nicht, die Ihre Diäten zahlen. Bezeichnen Sie Bürger nicht als Geiselnehmer, Covidioten, Schwurbler und Demokratiegefährder, nur weil sie anders meinen und reden, als es Ihnen und Ihrer Partei gerade gefällt. Überlegen Sie sich genau, was Sie in sozialen Medien von sich geben. Sagen Sie nicht wissentlich die Unwahrheit. Verlangen Sie nicht, besonders wenn Sie materiell gut gepolsterten Vielfliegerkreisen angehören, von weniger gut versorgten Bürgern ein Leben in Jutesack und Asche. Und denken Sie immer daran, dass Sie den Bürgern dienen, nicht umgekehrt, und dafür eine Bezahlung plus Versorgungsanspruch erhalten, die sehr viele von Ihnen auf dem freien Markt nie und nimmer bekämen. Seien Sie deshalb bescheiden und dankbar. Und halten Sie öfter einfach den Mund,
https://www.wiwo.de/podcast/chefgespraech/podcast-chefgespraech-gruenen-vorsitzende-lang-ich-finde-nicht-dass-die-ezb-fehler-gemacht-hat/28412148.html
vor allem bei offensichtlicher Ahnungslosigkeit.
,,, Alles vom 14.6.2022 von Alexander Wendt bitte lesen auf https://www.tichyseinblick.de/meinungen/veraechtlichmachung-von-politikern/

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(6) „Verächtlichmachung” soll unter Strafe gestellt werden – Podcast am 19. Juni 2022
Denn der Verfassungsschutz hat eine neue Bedrohung entdeckt, die unsere Demokratie gefährdet: Politiker würden verächtlich gemacht. Und damit werde der Staat delegitimiert.
TE-Autor Alexander Wendt hat im neuesten Bericht des Bundesamts für Verfassungsschutz Folgendes ziemlich versteckt gefunden:
„Diese Form der Delegitimierung erfolgt meist nicht durch eine unmittelbare Infragestellung der Demokratie als solche, sondern über eine ständige Agitation gegen und Verächtlichmachung von demokratisch legitimierten Repräsentantinnen und Repräsentanten sowie Institutionen des Staates und ihrer Entscheidungen. Hierdurch kann das Vertrauen in das staatliche System insgesamt erschüttert und dessen Funktionsfähigkeit beeinträchtigt werden.“
„Verächtlichmachung” soll unter Strafe gestellt werden. Wendt hat damit entdeckt, dass jetzt ein Begriff aus der alten DDR übernommen werden soll. Wer hat da Angst, verächtlich gemacht zu werden.
Ein Gespräch von Alexander Douglas mit Alexander Wendt.
… Podcast vom 19.6.2022 bitte hören auf
https://www.tichyseinblick.de/podcast/te-wecker-am-19-juni-2022/

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