Buergerinitiativen der Konzerne

Konzern- bzw. industriegelenkte Bürgerinitiativen und Umweltorganisationen nehmen nach amerikanischem Vorbild zwecks Greenwash zu, gerade bei großen Themen wie Atomkraft, Gentechnik, Saatgut, Nahrungsmittelspekulation: Namen zum Verwechseln (Bsp: Genepeace), Seitenwechsler liefern Knowhow und viel Geld. Axel Mayer vom BUND gibt hierzu einen Überblick – zur Landwirtschaft-Großdemo am 18.1. in Berlin.

Patrick Moore: Der „fliegende Wechsel“ einzelner „Umweltaktivisten“ zur Industrie gehört zum PR-Geschäft der Gentechnik- und Atomkonzerne.
Sie wollen in der Industrie als Atom- oder Genlobbyist Karriere machen? Dann gibt es zwei Möglichkeiten. Sie können den üblichen, langen Weg gehen und sich in den Konzernen langsam und mühsam nach oben dienen. Oder Sie werden erst einmal Umweltaktivist und wechseln dann spektakulär die Seite… Vor einigen Jahren sind die „Ex-Aktivisten“ Bjorn Lomborg und Mark Lynas diesen Weg sehr erfolgreich gegangen. Nach seinem medial hervorragend inszenierten Seitenwechsel warf Bjorn Lomborg den Umweltorganisationen in seinem industriefreundlichen Buch „Apokalypse No“ vor, sie schürten unbegründete Umwelt-Ängste. Der sehr medienwirksame Hinweis auf die ehemalige Greenpeace-Mitgliedschaft gehörte zum gezielten Marketing.

Der Biochemiker Jens Katzek  hatte beim BUND jahrelang gegen Gentechnik „gekämpft“, bevor er zum Saatguthersteller KWS wechselte. Sein Seitenwechsel wurde ihm hoch angerechnet: Bei der Bio Mitteldeutschland GmbH verdiente er fast so viel wie der Ministerpräsident, schreibt der Spiegel. Doch ab und zu müssen „neue“ Seitenwechsler aufgebaut werden und der neue Star der Genlobby ist nach Mark Lynas jetzt der ehemalige Greenpeace-Aktivist Patrick Moore.
Am 18. Januar 2014 findet in Berlin eine Großdemo gegen die industrielle Landwirtschaft, gegen Massentierhaltung, gegen Gentechnik und gegen die Großkonzerne statt, die daran verdienen. Allerdings wären Monsanto, Bayer und Co. ziemlich dumm, wenn sie als „Monsanto, Bayer und Co.“ und als Konzerne erkennbar bei einer Gegendemo auftreten würden. Für solche Zwecke gibt es in Amerika schon lange industrienahe „Vorfeldorganisationen“, die echten Bürgerinitiativen durchaus ähnlich sehen. Auch in Deutschland werden „industrienahe“ Bürgerinitiativen immer aktiver. Eine dieser „Bürgerinitiativen“ ist die Gentechnik-Lobbyorganisation mit dem hübschen Namen „Forum Grüne Vernunft“. Das „Forum Grüne Vernunft“ hat jetzt für den Vortag der Großkundgebung eine Aktion angekündigt. Ein „Gründervater“ von Greenpeace, der Kanadier Patrick Moore, wird am Freitag, 17. Januar um 11:00 Uhr vor der Greenpeace-Zentrale in Hamburg mit weiteren europäischen Wissenschaftlern eine Mahnwache durchführen. Patrick Moore ist der neue Star der Genlobby und er wirbt für seine weltweite Kampagne „Allow Golden Rice Now“. Der Protest der Genlobbyisten am 17.1.14 vor der Greenpeace Zentrale ist die Auftakt-Protest-Veranstaltung der Europa-Tour von Patrick Moore. Wer sich die Internetseiten des „Forum GRÜNE Vernunft“ betrachtet gewinnt schnell den Eindruck, dass es Ziel des Forums ist, mit vorgeschobenen Argumenten die Gewinn- und Machtinteressen der Genkonzerne zu „maskieren“. Eine industrienahe „Bürgerinitiative“, die Aktionsformen der Umweltbewegung übernimmt, ist presse- und werbewirksam.
Patrick Moore wirbt für den „Golden Rice“, über den man trefflich streiten kann. Die Gentechnik-Konzerne haben am Golden Rice hauptsächlich ein propagandistisches Interesse. Sie erwirtschaften einen wichtigen Teil ihres Umsatzes mit chemischen Spritzmitteln. Ihr vorrangiges Interesse ist es, herbizidresistente Pflanzen und dazugehörige Spritzmittel in Kombination zu verkaufen. Herbizidresistente Pflanzen – das sind über 70 % der weltweit angebauten gentechnisch veränderten Organismen (GVO-Pflanzen) – erbringen keine höheren Hektarerträge als konventionelle Pflanzen. GVO-Pflanzen werden in der Regel nur auf Großflächen und von Großgrundbesitzern angebaut (zumindest bei den herbizidresistenten Pflanzen ist der einzige Vorteil für den Anbauer, dass sich größere Flächen mit weniger Arbeit bewirtschaften lassen), was in der Folge dazu führt, dass häufig Nahrungspflanzen durch Exportpflanzen – Soja, Energiepflanzen und Baumwolle – ersetzt werden. Dies wiederum führt dazu, dass ein Sahel-Hungerland wie Burkina Faso GVO-Export-Baumwolle anbaut… Es geht den Konzernen nicht um den Welthunger, sondern um Geld, Habgier und Macht. Die Gen-Konzerne, die heute mit „Golden Rice“ und dem Argument des Welthungers Greenwash betreiben, versuchen gleichzeitig durch Patente auf Saatgut Monopole auf die landwirtschaftliche Produktion und Ernährung zu erlangen. Die Agrar-Konzerne Monsanto, Syngenta und Bayer verschaffen sich global immer mehr Patentansprüche auf unsere Hauptnahrungspflanzen und bestimmen so die Nahrungsmittelpreise, aus denen sie massive Profite ziehen. Der Welthunger ist immer mehr auch eine Folge der Nahrungsmittelspekulation.

Es gibt in der Werbung ein Grundprinzip: „Lob dich nicht selber – Lass dich von anderen loben“. Wenn McDonalds sagt, McDonalds-Hamburger seien die besten, wenn Öl- und Kohlekonzerne den Klimawandel leugnen, wenn die Tabakindustrie das Krebsrisiko herunter spielt, wenn Monsanto die Gentechnik lobt und Atomkonzerne die sichere Kernenergie preisen, dann ist das weniger glaubwürdig als wenn „neutrale Dritte“ die Werbung übernehmen und die Konzernmeinung geschickt verkaufen. Immer wieder haben aus diesem Grund Tabak-, Atom- und Genkonzerne WissenschaftlerInnen gekauft und „ehemalige UmweltschützerInnen“ sind noch „glaubwürdiger“ als ProfessorInnen.

Wenn ein ehemaliger „Umweltschützer“ nach dem Wechsel zur Industrie „fast so viel verdienen kann wie der Ministerpräsident“ (Quelle: Der Spiegel), dann kann sich so ein Wechsel auch finanziell lohnen. Schade, dass über solche Zusammenhänge äußerst selten berichtet wird. Selbstverständlich ist es auch möglich,  dass UmweltschützerInnen ihre Meinung ändern und das muss auch für die aufgeführten Personen gelten. Nicht jeder, der von einem Umweltverband oder einer Bürgerinitiative zur Industrie wechselt, darf unter Generalverdacht stehen. Auffallend bei Patrick Moore, Mark Lynas, Bjorn Lomborg, Jens Katzek und anderen prominenten Seitenwechslern sind allerdings die mehr als professionellen, effizienten und aufwändigen Medien-Kampagnen, mit denen die „Meinungsänderung“ verkauft wird. Geben Sie einmal den Namen „Patrick Moore“ bei einer Suchmaschine ein und Sie werden feststellen, wie eine aufwändige, gut gemachte Werbekampagne funktioniert. Atom- und Genkonzerne haben Werbeetats von vielen Millionen Euro.

Industriegelenkte Bürgerinitiativen und Umweltorganisationen nehmen nach amerikanischem Vorbild immer stärker zu:
– Da gibt es den „Umweltverband“ „Entlang des Rheins – aufildurhin „, den die Energiekonzerne EDF und EnBW ins
eben gerufen haben, um Akzeptanz für das altersschwache AKW Fessenheim zu schaffen.
– Der Verein „Bürger für Technik (BfT)“ arbeitet als „unabhängige Bürgerinitiative“ und verbreitet Lobeshymnen über
die Kernkraft, wie Christian Fuchs in einem Artikel der Zeit vom 17.4.2008 schrieb.
– Energiekonzerne und Aluminiumindustrie „unterstützen“ auch einige Bürgerinitiativen gegen Windkraft.
Organisationen wie „Waste Watcher“, „Aktionskreis Energie e.V“, „Informationskreis Kernenergie“,
das „Forum Grüne Vernunft“ oder „Genepeace“ sind vergleichbare Scheininitiativen und Lobbyorganisationen.
– Die taz berichtet, dass es im Bereich Straßenbau ähnliche Industrieaktivitäten gibt.

Harte „amerikanische Methoden“ halten Einzug bei den großen sozialen Auseinandersetzungen und Umweltkonflikten, insbesondere und immer dann, wenn sie wirtschaftliche Interessen betreffen. Durch das geplante Freihandelsabkommen mit den USA werden sich diese Probleme noch verschärfen. Bei vielen dieser großen Konflikte, insbesondere im Bereich der Atomindustrie und der Gentechnik, geht es um Milliarden von Euro. Soziale Bewegungen, GlobalisierungskritikerInnen und die Umweltbewegung sind seit Jahren mit Spionage, Bespitzelung, Greenwash, Wikipediamanipulation, Akzeptanzforschung und industriegesteuerten Scheinbürgerinitiativen konfrontiert. Und auch der „fliegende Wechsel“ einzelner „Umweltaktivisten“ von den Umweltverbänden zur Industrie, das geschickt genutzte Saulus-Paulus-Prinzip (oder müsste es hier Paulus-Saulus-Prinzip heißen?) gehört zum PR-Geschäft, in dem die teuersten und „besten“ PR-Agenturen mitmischen.

16.1.2014, Axel Mayer, BUND-Geschäftsführer, Freiburg
https://vorort.bund.net/suedlicher-oberrhein/patrick-moore-genlobby.html

 

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