Buergerentscheid Kirchzarten JA

Hoffen auf ein Ja zum Miteinander in Kirchzarten – Interview mit Bürgermeister Andreas Hall zum ersten Bürgerent-scheid in Kirchzartens Geschichte – Kompromiss bei Nein kaum umsetzbar. Am 3.3.2013 geht es um die Zukunft des Giersberggeländes. Fast ein Jahr lang haben sich am „Runden Tisch“ Vertreter unterschiedlichster Gruppie-rungen wie Forstverwaltung, Sportverein, Kirchengemeinde, Schwarzwaldverein und Gemeinderat um einen Ausweg aus der problematischen MTB-Situation am Giersberg bemüht. Alle Beteiligten, bis auf die IG Giersberg, die mit ihrem Bürgerbegehren den „Runden Tisch“ ausgelöst hatte, stimm-ten am Ende dem sinnvollen Kompromiss zu. Da die IG Giersberg weder am „Runden Tisch“ noch in den Wochen danach bereit war, die von ihr im Bürgerbegehren gestellte Fragestellung den durch den Kompromiss entstandenen neuen Tatsachen anzupassen, müssen Kirchzartens Bürger(innen) nun über eine Frage entscheiden, die mit der aktuellen Wirklichkeit nichts mehr zu tun hat. Unser Redakteur Gerhard Lück sprach mit Bürgermeister Andreas Hall über Kirchzartens ersten Bürgerentscheid.

(glü.): Zum ersten Mal in Kirchzartens Geschichte kommt es am 3. März zu einem Bürgerentscheid. Warum, Herr Hall, ist es überhaupt dazu gekommen?
Hall: Die Gründe liegen in einem Bürgerbegehren vom Februar letzten Jahres. Noch bevor der Gemeinderat über die Projektidee des SV Kirchzarten, einer sogenannten „Bike-Arena“, diskutieren konnte, hat die IG Giersberg 2.900 Unterschriften für einen Bürgerentscheid zu diesem Thema eingereicht.
(glü.): Um was geht es denn genau am 3. März 2013?
Hall: Es geht nicht mehr um die ursprüngliche Projektidee einer Bike-Arena. Der Gemeinderat hat als Reaktion auf diese 2.900 Unterschriften das Projekt Bike-Arena ad acta gelegt und die Verwaltung beauftragt, ein neues Gesamtkonzept zu entwickeln. Dabei machte er zwei Vorgaben. Es sollten für den Mountainbikesport zeitgemäße Trainings- und Wettkampfbedingungen gefunden und der Giersberg in seiner Naherholungsfunktion deutlich aufgewertet sowie insgesamt Konfliktsituationen deutlich entschärft werden. Die Gemeinde hat die betroffenen Interessensgruppen an einen sogenannten „Runden Tisch“ gebeten und Prof. Roth von der Sporthochschule Köln als externen Experten hinzu geholt. In intensiven Diskussionen ist es gelungen, ein Gesamtkonzept zu erarbeiten, was beide Anforderungen, wie ich meine, in sehr guter Weise erfüllen kann. Die Mountainbiker erhalten zeitgemäße Trainings- und Wettkampfbedingungen an einem anderen Standort, am Hexenwäldle ergänzt durch die Schleife an der Bickenreute und einem Zuweg zum Stadion. Und genau dadurch schaffen wir es, den Giersberg in seiner Erholungsqualität so aufzuwerten, wie wir das vorher nicht vermutet hätten. Wir nehmen den Radverkehr, Sportler wie Freizeitbiker komplett aus dem Giersberg heraus. Der Giersberg wird mountainbikefreies Erholungsgebiet für Wanderer, Fußgänger, Spaziergänger, Walker.
(glü.): Wie bewerten Sie jetzt im Nachhinein das Engagement der am Runden Tisch beteiligten Gruppierungen und ihr Bemühen, nach einer guten Lösung zu suchen?
Hall: Das war mehr als nur bemerkenswert! Der Kompromiss kam nur dadurch zustande, dass sich ein breites Miteinander am Runden Tisch dafür eingesetzt hat. Die Gruppierungen wie Schwarzwaldverein, Forstbehörde, Nabu, Pfarrgemeinde und Sportverein formulierten ihre jeweiligen Bedürfnisse und Erwartungen und anerkannten die der anderen. Allen gemein war der Wunsch, einen Kompromiss, ein Miteinander, zu erreichen. Mit dem Sachverstand von Städteplaner Rolf Fischer und Prof. Roth am Tisch gelang es in der Tat, ein Gesamtkonzept zu entwickeln, was im besten Sinne einen Kompromiss darstellt. Hier findet sich jeder wieder, sowohl die Biker als auch die Fußgänger, Walker oder Pilger. Leider beharrte die IG Giersberg auf ihren Positionen und trägt diesen Kompromiss nicht mit.

(glü.): Welche Frage haben die Bürgerinnen und Bürger nun am Sonntag zu beantworten?
Hall: Das ist die Krux jetzt bei diesem Bürgerentscheid. Weil das Bürgerbegehren vom Februar 2012, das sich gegen die damals aktuelle Idee Bike-Arena richtete, noch offen ist bzw. sich der Entscheid auf dieses Begehren begründet, steht die Fragestellung des alten Begehrens auf dem Stimmzettel. Dabei haben wir inzwischen einen völlig veränderten aktuellen Stand. Die Fragestellung lautet: „Soll am Giersberg/Bickenreute eine Trainings- und Wettkampfsportstätte für Mountainbiker (Bike-Arena) eingerichtet werden?“
(glü.): Die Frage bezieht sich also noch auf die sogenannte Bike-Arena. In dieser Fragestellung drücken sich aber doch in keinster Weise die monatelangen intensiven, und wie Sie selbst sagen, positiven Beratungen am „Runden Tisch“ aus?
Hall: Nein, leider nicht. Wir hatten noch versucht, mit den Initiatoren der IG Giersberg eine aktuelle Fassung der Fragestellung zu erreichen, was zur Klarheit vor allem der Bürger und Wähler beigetragen hätte. Die IG bestand aber auf der ursprünglichen Fragestellung und so war der Gemeinderat, weil das Quorum ja erreicht war, gehalten, die Frage so für zulässig zu erklären.
(glü.): Sorgen Sie sich nicht, dass viele Wähler am Sonntag in der Wahlkabine verwirrt sind?
Hall: Natürlich. Deshalb haben wir versucht, durch eine umfassende Information in einer Broschüre, einer ergänzenden Homepage unter www.info-giersberg.de sowie regelmäßig im Blättle zu informieren, worum es bei diesem Bürgerentscheid geht, welche Konsequenz eine Ja-Stimme und welche eine Nein-Stimme hat.
(glü.):Was hat denn nun ganz konkret mein JA auf dem Stimmzettel für Konsequenzen?
Hall: Ja heißt, dass ich für die Umsetzung des am Runden Tisch erarbeiteten Gesamtkonzeptes stimme: Ja zur Neueinrichtung der MTB-Trainings- und Wettkampfstrecke im Bereich Hexenwäldle-Bickenreute. Ja zum Rückbau der gesamten Trainingsstrecken, der Single-Trails am Giersberg. Ja zu einem mountainbikefreien Giersberg. Ja zur Umsetzung der Elemente des Naherholungskonzeptes mit einer qualitativen Aufwertung des Stationenwegs, des Pilgerwegs und des Spielplatzes.
(glü.): Das heißt konkret: Ja für ein friedliches Miteinander im Gebiet des Giersbergs?
Hall: Ja. Und das heißt dadurch auch Ja zu einem friedvollen Miteinander im Ort. Es ist ein klares Ja zum Mountainbike-Sport im Ort unter den im gemeinsam erarbeiteten Kompromiss vereinbarten Vorgaben.
  
(glü.): Und was löse ich aus, wenn ich mit NEIN stimme?
Hall: Nein heißt zunächst einmal ganz klar: Ablehnung des am Runden Tisch erarbeiteten Gesamtkonzepts.
(glü.) Zunächst würden dann alle Verhältnisse am Giersberg bleiben wie sie sind?
Hall: Weil wir keine neue Trainings- und Wettkampfstrecke bauen, können nicht alle Naherholungsideen wie im Konzept gedacht umgesetzt werden. Natürlich wird es die wilden Trails auch bei einem Nein in Zukunft nicht mehr geben. Den gewünschten Erfolg in der Naherholung haben wir aber nicht, wenn wir am Giersberg nur mit Verboten arbeiten. Wir brauchen auch eine ergänzende positive Lenkung. Ich kann zwar versuchen, Biker aus einem Gebiet zu verbannen, muss aber dann auch Alternativen aufzeigen, wo sie sich aufhalten können, wo das Training stattfinden soll, wo die Freizeitbiker, die oben vom Sonneck kommend, ihre Ausleitung finden. Beide Konzepte – Mountainbikesport und Naherholung – gehen Hand in Hand.
(glü.): Das heißt, Sie erhoffen sich am 3. März ein ganz klares Ja für den Kompromiss, so wie er am Runden Tisch erarbeitet wurde?
Hall: Ja, und mit mir erhoffen sich das die allermeisten Akteure, die am RT mitgewirkt haben: ein klares Ja zu diesem Kompromiss, das auch ein Ja zu einem guten Miteinander am Giersberg und in Kirchzarten darstellt.
(glü.): Wann rechnen Sie mit dem amtlichen Endergebnis und wo wird es verkündet?
Hall: Der Gemeindewahlausschuss tagt am Sonntagabend um 19 Uhr in der Grundschule Kirchzarten, wird das Endergebnis feststellen und auch verkünden.
(glü.) Vielen Dank, Herr Hall, für dieses offene Gespräch.
27.2.2013, www.dreisamtaeler.de

 

Aufruf der Experten des „Runden Tisches“: „Mit Ja die Umsetzung des Gesamtkonzepts ermöglichen!“
Dieser Bürgerentscheid ist erforderlich, um das Gemeinwohl wieder herzustellen und Kirchzarten nachhaltig zu entwickeln. Der Runde Tisch hat dafür eine gute Grundlage geliefert. Sein Konzept für bessere Erholungsmöglichkeiten am Giersberg und zeitgemäße Trainings- und Wettkampfstrecken im Bereich Hexenwäldle/Bickenreute ist nicht nur ein guter Kompromiss, er bringt auch deutliche Verbesserungen für alle am Prozess beteiligten Gruppierungen.
Dieses vom Gemeinderat und wichtigen Bürgergruppierungen unterstützte Gesamtpaket kann nur umgesetzt werden, wenn die Bürgerinnen und Bürger am 3. März 2013 mehrheitlich mit Ja abstimmen. Die grundsätzlichen Gegner der Mountainbike-Sportentwicklung in Kirchzarten werben teilweise mit unsachlichen Argumenten wie einer „Mountainbike-Arena durch die Hintertür“ für Nein-Stimmen. Als Experte und Moderator hoffen wir, dass die Bürgerschaft die Arbeit des „Runden Tisches“ würdigt und mit einer Mehrheit der Ja-Stimmen die Umsetzung des erarbeiteten Gesamtkonzepts ab Frühjahr 2013 ermöglicht.
Univ.-Prof. Dr. Ralf Roth, Sporthochschule Köln
Norbert Schröder-Klings, Moderator, Freiburg

 

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