Botho Strauss in 1993 und 2015

Angesichts der Asylanten-Proteste 1993 beklagte Botho Strauß im berühmten Essay „Anschwellender Bocksgesang“ den Verlust des Deutschen – und bekam die Nazi-Keule zu spüren. 22 Jahre später schreibt Strauß (70) in „Der letzte Deutsche“ resigniert: „Uns wird die Souveränität geraubt, dagegen zu sein. … Die Sorge ist, daß die Flutung des Landes mit Fremden eine Mehrzahl solcher bringt, die ihr Fremdsein auf Dauer bewahren und beschützen.“ Dem schaue die Politik untätig zu, da sie hauptsächlich mit der „Causa Schwulenehe“ beschäftigt sei. In islamischen Ländern wie Iran geben wenige Gelehrte den Massen Weisung, bei uns „bestimmen Massen und Medien das Niveau der politischen Repräsentanten, die allesamt Ungelehrte in jeder Richtung sind.“ Selbst die linkskritischen Intellektuellen bieten keinen Geistesfunken mehr – im Gegenteil, ihre führenden Köpfe wie Piketty, Stiglitz und Krugman „betreiben unter linkem Vorzeichen eine nächste Hegemonie der Ökonomie, nun der angeblich sozialverträglichen“.
Es klingt bitter, wenn Botho Strauß aus der Befürchtung, dass Integration großenteils scheitern werde, resümiert: „Ich möchte lieber in einem aussterbenden Volk leben als in einem, das aus vorwiegend ökonomisch-demografischen Spekulationen mit fremden Völkern aufgemischt, verjüngt wird“.
Kaum ein Text in der Publizistik des wiedervereinten Deutschlands wurde so heiß diskutiert der von Botho Strauß in 1993 – man darf gespannt sein, ob die Strauß’sche Glosse von 2015 die gleiche Resonanz erfährt.
2.10.2015

„Der letzte Deutsche“ – Eine Glosse von Botho Strauß, in DER SPIEGEL vom 2.10.2015, S. 122-124

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