Bildungsgefaelle Bayern – Berlin

Das Mathematik-Lerngefälle zwischen Bayern und Berlin liegt so weit auseinander wie das zwischen Deutschland und der Türkei. Dabei hat München mehr Grundschulkinder mit Migrationshintergrund und geringere Ausgaben je Grundschüler als Berlin. Strenge Regeln (Kontrollen, Lehrerfortbildung Pflicht) in München versus Laisser-faire (laxe Lehrpläne, eigensinnige Lehrer) in Berlin, sind dies die Gründe für die eklatanten Leistungsunterschiede?

Viertklässler haben in Bayern 519 Punkte erzielt, in Berlin nur 451. Das entspricht dem internationalen Vergleich dem, was Deutschland von der Türkei trennt. Experten sagen, dass gegenüber diesem eklatant weiter auseinanderdriftenden Bildungsgefälle jeder verschobene BER-Großflughafen unbedeutend sei. Pisa, Iglu und andere Studien prangern die riesigen Leistungsdifferenzen zwischen Nord und Süd an, gehen aber nicht auf die regioalen Ursachen ein. Warum klettern Sachsen und Thüringen immer weiter nach oben, während die Stadtstaaten im Keller verharren? „Bildungspolitiker reden zwar viel von Transparenz. In Wirklichkeit haben Sie Angst vor der Wahrheit. Sie könnte ja lauten, dass an ihrer Politik etwas falsch ist. Deshalb har die Kultusministerkonferenz bislang keine einzige Studie zur Ursachenerkundung auf den Weg gebracht. Sie hat sogar alle tiefergehenden Analysen verhindert. Forscher, die mit Daten aus der Pisa-Studie arbeiten, müssen – unter Androhung einer Strafe von 10.000 Euro – versprechen, in ihrer Publikation kein Bundesland beim Namen zu nennen.“ (Von Strebern und Chaoten – Bayerische Schüler können viel besser lesen und rechnen als Berliner Schüler, Die Zeit, 6.6.2013, Seite 36) 

(1) Ausgaben pro Grundschüler und Jahr: München 5200 Euro und Berlin 5500 Euro. Das schlechte Abschneiden von Berlin kann also nicht mit fehlenden finanziellen Mitteln erklärt werden

(2) Schüler ohne Deutsch als Muttersprache: München 37% und Berlin 35%. Auch an der Migrantenquote kann es licht liegen, dass Berlin als das ewige Kellerkind der Bildungsrepublik gilt.

(3) Hartz IV-Quote bei Schülern: München 12% und Berlin 34%. Nicht der Geburtsort der Eltern bestimmt die Schulkarriere ihrer Kinder, sondern Einkommen und Bildungsstand. Hier hat es das Bundesland Bayern geschafft, die Eltern viel besser zu integrieren als das Bundesland Berlin.

(4) Aus- und Fortbildung der Lehrerschaft: Mathelehrer, die ihr Fach nicht studiert haben: Bayern 16% und Berlin 38%. Lehrer mit mehr als 5 Fortbildungen in den letzten 2 Jahren: Bayern 70% und Berlin weniger als 34%. Eine hektische Bildungspolitik mit immer neuen Neuerungen, Schulversuchen („Schulreformen gleichen Operationen ohne Betäubungen“) und Erprobungen hat Berlins Lehrer eine Laisser-faire-Haltung anerzogen. Laxe Lehrpläne und fehlende Kontrollen haben lustlose und eigensinnige Lehrer hervorgebracht. An Bayerns Schulen hingegen werden Lehrpläne kontrolliert – in einem streng reglementierten Schulsystem. Beispiele: In München gibt es eine Lehrerfeuerwehr mit 200 ausgebildeten Pädagogen, die im Krankheitsfall sofort einspringen können und dies auch tun! Lehrer mit Beamtenstatus – in Berlin sind Lehrer Angestellte ohne Jobgarantie. Strikte fortbildungspflicht in Bayern. Kaum fachfremd erteilter Unterricht.

Der Hauptgrund des großen Bildungsgefälles ist in der Lehrerbildung (4) zu suchen. Die Berliner Schulpolitik läuft seit langer Zeit falsch – deutlich formuliert wird dies im Schulvergleich der Zeit:
Lehrer können dazulernen. An der Spree-Schule besuchten viele ihrer Kollegen Fortbildungen, sagt Petra Mende. Zwingen tut sie allerdings niemanden. An der Isar-Schule dagegen besteht strikte Fortbildungspflicht. Exakt zwölf Lerntage à fünf Stunden zu sechzig Minuten muss ein bayerischer Lehrer in vier Jahren nachweisen. Und wenn es bald ein neues Curriculum für die Schulen gibt, wird das ganze Kollegium zum Büffeln abgeordnet. In Berlin wäre das undenkbar. „Mit Anordnungen erreichen Sie hier nichts“, sagt Jürgen Zöllner, ehemals Schulsenator der Hauptstadt. „Wenn Sie es trotzdem versuchen, erhöhen Sie nur die Krankenrate.“ Zöllner kam als erfahrener Minister aus Rheinland-Pfalz nach Berlin. Die dortige Schulkultur mit ihrer Antihaltung gegenüber der Politik und ihrer Skepsis gegenüber Leistung traf ihn „wie ein Schock“. Der Sozialdemokrat hat folgende Theorie: Jahrzehntelang sei Berlin ein Magnet für Leute gewesen, die mit dem westdeutschen Establishment (und der Bundeswehr) nichts zu tun haben wollten. Viele von ihnen hätten ihre Heimat in den Schulen gefunden. Ihre Einstellung präge viele Kollegien bis heute, sagt Zöllner: „Bei einem Schultest wollen die Bayern die Besten sein. Die Berliner wollen beweisen, dass der Test nichts taugt.“ Tatsächlich gehört das Motzen in Berliner Kollegien zum guten Ton. Die Lokalpresse trägt den Jammerton eins zu eins in die Öffentlichkeit. Auch im Direktorenzimmer dauert es kaum eine halbe Stunde, dann hat einen Petra Mende auf den Stand gebracht, was in der Berliner Schulpolitik alles falsch laufe. Ihre Kollegin aus München, ganz bayerische Beamtin, verliert kein böses Wort über die Obrigkeiten. Sie hätte auch weniger zu klagen…..
Quelle: „Vorn Strebern und Chaoten, 6.6.2013,
https://www.zeit.de/2013/24/schulvergleich-muenchen-berlin 

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