Betreuungsverein – Nachwuchs

Ehrenamtliches Engagement: Den Horizont noch einmal erweitern, Lebenserfahrungen weitergeben, eine neue Aufgabe: Das suchen viele Menschen im Ruhestand. Der Ingenieur Heinz Weiler fand all das im Betreuungsverein der Diakonie Freiburg als rechtlicher Betreuer von derzeit sechs Menschen, die ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln können.

„Das Rechtliche hat mich immer interessiert und ich wollte mit Menschen zu tun haben“, sagt Weiler über seine Vorstellungen, als er 2008 nach vier Jahrzehnten bei der Telekom in den Vorruhestand ging. Über den Betreuungsverein des Diakonischen Werks Freiburg fand er eine neue Aufgabe: Er wurde rechtlicher Betreuer einer jungen Frau, die überschuldet und krank war und kaum Deutsch sprach. „Ich habe mich ins Sozialrecht eingearbeitet und mich als Gasthörer in die Katholische Hochschule gesetzt“, erzählt er. Heute betreut er sechs Menschen, von denen
drei im Wachkoma liegen. In Freiburg leben rund 2 850 Männer und Frauen, für die eine
rechtliche Betreuung besteht, wie Edgar Schell, Sozialarbeiter und Vereinsbetreuer bei der Diakonie, erklärt. Die Gründe reichen von geistiger Behinderung über psychische Erkrankung bis
zu altersbedingten Einschränkungen. Mehr als die Hälfte der Betroffenen wird von professionellen
Betreuernunterstützt, bei den übrigen 1230 Menschen regeln Ehrenamtliche die Geschäfte.
Der Betreuungsverein der Diakonie begleitet derzeit 86 Betreuer, davon sind 33 Familienangehörige, die insgesamt 136 Menschen versorgen. Daneben gibt es in Freiburg zwei weitere solche Vereine, die bei den Sozialdiensten katholischer Frauen und Männer (SkF und SkM) angesiedelt sind. Tätig werden die drei Betreuungsvereine im Auftrag des städtischen Sozialamts, das beim Amtsgericht angesiedelte Betreuungsgericht bestellt dann den vom Verein vorgeschlagenen Ehrenamtlichen. Finanziert wird die Arbeit vom Land mit 24000 Euro und der
Stadt mit 27000 Euro im Jahr. Ende 2015 blieb ein Defizit von 28000 Euro, das die Diakonie
begleichen musste. „Wir brauchen dringend mehr Geld, au- ßerdem haben wir achwuchssorgen“,
sagt Schell. Fingen 2015 noch 13 neue Freiwillige an, so waren es dieses Jahr nur vier.
„Und jetzt hören zwei Betreuer auf, die je sechs Fälle hatten.“ Zahlt die Krankenkasse den
Rollstuhl, kann die Hausratversicherung gekündigt werden, darf der Baum im Garten gefällt werden? Alltagsfragenwie diese sind es, die der Betreuer in Absprache mit seinem Klienten zu klären sucht. „Der Wille des Betreuten ist immer die letzte Instanz, es sei denn, es liegt Selbstgefährdung vor“, erklärt Edgar Schell, der als professioneller Betreuer selbst 25 Klienten begleitet. Ist eine Einigung nicht möglich oder geht es um heikle Fragen wie etwa den Freiheitsentzug eines dementenMenschen, so entscheidet das Betreuungsgericht. Zweifelsfälle, die den Betreuer an eigene psychische und ethische Grenzen führen, gehören dazu. „Die Frage, ob bei einem Todkranken die lebenserhaltenden Maßnahmen beendet werden, ist sicherlich die schwerste im Leben eines rechtlichen Betreuers“, sagt Edgar Schell, „doch gemeinsam mit dem Arzt kann man sie treffen.“ Das nötige Knowhow vermittelt der Verein den Betreuern in
sechs Einführungsabenden, regelmäßigen Fortbildungen und jederzeit auf Nachfrage. Juristische
Vorlesungen zu besuchen, wie Heinz Weiler es tat, sei die Ausnahme, sagt Schell. Bis zu
zwei Stunden pro Woche benötigt Weiler pro Klient, was ihm mit jeweils 399 Euro im Jahr vergütet wird. Er wendet sich gegen Vorurteile: „Die Vorstellung, dass der Betreuer seinen Klienten einfach ins Heim stecken kann, ist ganz falsch“, sagt er. Auch müsse erjedeAusgabe, die ermit dessen Geld tätigt, dem Gericht vorlegen. „Ich kann die Arbeit nur jedem empfehlen“, sagt Weiler: „Man bekommt Einblick in neue Lebensumstände und entwickelt sich weiter.“ Wichtig sei
allerdings eine vernünftige Distanz, damit einem das Schicksal des Klienten nicht zu nah gehe.
Und sein Tod, mit dem die meisten der Betreuungen enden.
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DER BETREUUNGSVEREIN der Diakonie, Dreisamstraße 3-5, 79098 Freiburg, sucht dringend ehrenamtliche rechtliche Betreuer. Kontakt unter Telefon 07 61/36 89 10 (werktags von 9 bis 12 Uhr). Informationen und Jahresprogramm: www.diskonie-freiburg.de
26.6.2016, Sigrun Rehm, www.der-sonntag.de

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