Beinhaus am Muenster

Das Beinhaus an der Nordseite des Freiburger Münsters: Rund um die 1146 erstmals urkundlich erwähnte Freiburger Pfarrkirche befand sich schon im 12. Jahrhundert der Hauptfriedhof der Stadt. Auf diesem erst 1267 genannten, ummauerten Kirchhof fanden seinerzeit die meisten Freiburgerinnen und Freiburger ihre letzte Ruhe. Die Mitglieder der städtischen Oberschicht ließen sich gerne in den zahlreichen Klöstern, vor allem aber im Inneren des Münsters bestatten. Die nicht unerheblichen Gebühren für dieses Privileg waren eine wichtige Einnahmequelle zur Finanzierung des Bauwerks, insbesondere für den Mitte des 14. Jahrhunderts begonnen Chor mit seinem Kranz von Kapellen als sogenannte Familiengrablegen. Je näher man dem Allerheiligsten und den in der Kirche aufbewahrten Reliquien der Heiligen war, desto näher glaubte man sich der Gnade Gottes und der Auferstehung am Tag des Gerichts. Mit Mess-Stiftungen wurden das Totengedenken und die Totengebete sichergestellt, die nach allgemeiner Vorstellung die Zeit im Fegefeuer verkürzten oder abmilderten.

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Die Nordseite des Münsterplatzes mit Beinhaus, Kreuz und der Totenleuchte „Bäckerlicht“ zeigt die linke Abbildung eines Ausschnitts aus dem „Pergamentplan“ der Festung Freiburg, der um 1706/15 entstanden

Auf dem eigentlichen Friedhof nördlich des Münsters befand sich die den Heiligen Michael und Andreas geweihte zweistöckige Kapelle, deren Untergeschoss als „Beinhaus“ (nach dem alten Wort für Knochen) diente. Seit 1314 ist sie in Urkunden nachweisbar. Im Beinhaus oder Karner wurden die nach etwa achtjähriger Liegezeit ausgegrabenen und gereinigten Gebeine sauber gestapelt aufbewahrt. Damit sollte neuer Platz auf dem engen Kirchhof geschaffen werden – aber der Anblick der Gebeine ihrer Vorfahren sollte auch die Lebenden an die eigene Sterblichkeit erinnern.

Solchermaßen exhumiert wurden allerdings nicht alle Toten. Die noch laufenden Grabungen der Denkmalpflege auf dem Münsterplatz zeigen, dass Grabstellen häufig mehrfach belegt wurden, wobei die älteren Bestattungen unter die neuen Begräbnissse zu liegen kamen, oder ältere Knochen von den Totengräbern auf die neuen Särge gelegt wurden. Die Publikation der Grabungsergebnisse darf man jedenfalls mit Spannung erwarten.

Der Ausschnitt aus dem zwischen 1706 und 1715 gezeichneten „Pergamentplan“ oben links zeigt die Andreaskapelle nach einem um 1570 erfolgten durchgreifenden Umbau. Vor der Kapelle steht das große Friedhofskreuz, weiter westlich die steinerne Totenleuchte, das „Bäckerlicht“. Es wurde 1508 von der Bruderschaft der Bäckerknechte gestiftet, die für die Unterhaltung des in der Laterne brennenden Ewigen Lichts sorgten.

Bereits im Jahr 1512 hatte Kaiser Maximilian wegen der Seuchengefahr, die von solchen Orten ausging, die Schließung von Friedhöfen in den Zentren österreichischer Städte verfügt. Die Freiburger wollten am alten Standort nahe der Hauptkirche aber festhalten. Erst ab 1514 wurde auf Kosten der Münsterfabrik hinter der Nikolauskirche in der weniger dicht besiedelten „Neuburg“ nördlich der Altstadt ein neuer Friedhof angelegt, der 1515 vom Konstanzer Weihbischof eingeweiht wurde. Schon 1585 wurde der Nikolaifriedhof nach Osten erweitert. Bestattungen im Münster selbst wurden aber bis zu einem Verbot Kaiser Josephs II. Im Jahr 1784 weiter vorgenommen. Ein Jahr später fiel die Friedhofsmauer.

Die Andreaskapelle – wohl bei der französischen Belagerung 1744 schwer beschädigt – war schon 1753 abgebrochen worden. Auch das Bäckerlicht wurde abgetragen, seine gotische Säule wurde später in einen Strebepfeileraufsatz am Chor eingebaut. Das Friedhofskreuz wurde 1786 auf den heutigen Alten Friedhof versetzt.
Im Jahr 1973 wurde bei Bauarbeiten das Untergeschoss der Andreaskapelle zufällig angeschnitten und anschließend freigelegt. In der Osthälfte fanden sich noch die zwei Meter hoch aufgeschichteten menschlichen Knochen. Nach der archäologischen und anthropologischen Untersuchung wurde das Grabungsfeld mit Betonplatten abgedeckt und der Grundriss der Kapelle im Pflaster des Platzes nachgezeichnet.
27.6.2014, Peter Kalchthaler

Der Ausstellungsteil im Wentzingerhaus (Museum für Stadtgeschichte), Münsterplatz 30, endet am 6.7.2014, die Kernausstellung im Augustinermuseum, Augustinerplatz 1-3, wird noch bis zum 5. Oktober zu sehen sein. Diesmal geht es um das frühere „Beinhaus“ auf dem Münsterplatz.

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