Bauernhof-Nachfolge – 3 Formen

Landwirte werden immer älter (nur 7% sind jünger als 35), immer mehr Bauern geben auf (ca 42000 Bauernhöfe 2013 gegenüber 60000 Höfen 2000 in BW). Das Modell „Hofverkauf an reichen Städter und Ackerverpachtung an benachbarten Landwirt“ funktioniert nicht endlos. Zur Hofübergabe bieten sich drei Formen an: Gründerplattform (wie Hofgruender.de), Beteiligungsgesellschaft (wie Regionalwert AG) oder Solidarhof (wie Luzernenhof).

Bauer sucht Nachfolger: Neue Wege für Landwirte in Südbaden
Junge Leute finden keine Höfe, Landwirte keine geeigneten Nachfolger – doch neue Wege führen die Suchenden zusammen. Auch in Südbaden gibt es Modelle, die helfen, Höfe vor dem Sterben zu bewahren. Nicht jeder Bauer kann sicher sein, seinen Hof bis zur nächsten Ernte durchzubringen. „70 Prozent aller landwirtschaftlichen Betriebe sind in der Nachfolgeregelung nicht abgesichert“, sagt Christian Vieth (37). Der Sohn von Freizeitwinzern aus Niederwallmenach im pfälzischen Rhein-Lahn-Kreis nahe der Loreley am Rhein wollte schon als Kind Landwirt werden. Er will es noch immer. Aber zunächst will der Großhandelskaufmann, der in Kassel ökologische Agrarwissenschaft studiert hat, anderen zu einem Hof verhelfen. Sein Projekt namens Hofgründer bringt Landwirte, die einen Hof suchen, mit Bauern zusammen, die einen abgeben müssen oder wollen. Das ehrgeizige Vorhaben von Vieth wird von der Zukunftsstiftung Landwirtschaft der GLS-Bank unterstützt. Christian Vieth ist Mitglied von Akosha, dem weltweit größten Fördernetzwerk für Non-Profit-Organisationen. Es geht ihm nicht alleine darum, Angebot und Nachfrage zusammenzubringen. „Eine solche Vermittlung ist sehr schwierig und braucht viel Beratung“, hat Vieth festgestellt. Es gibt keine Standardlösung, jeder Hof ist anders, jeder Gründer hat eine andere Idee, wie er oder sie sich Landwirtschaft vorstellen. Ackerbau, Viehzucht, mehrere Standbeine? Das sind lediglich die betriebswirtschaftlichen Aufgaben.
Hinzu kommen die eigentumsrechtlichen Fragen: Schenkung, Verkauf, Verpachtung? Sie berühren auch das heikle Thema: Was wird mit dem Altbauern und seiner Frau? Und mit deren Altersversorgung? Bleiben sie auf dem Hof oder in der Nähe auf dem Altenteil? Und werden sie sich weise aus dem Tagesgeschäft der Neuen heraushalten oder nicht?
Das sind Themen, mit denen sich auch die Beratungsstelle Familie und Betrieb der Katholischen Landvolkbewegung in der Erzdiözese Freiburg in St. Ulrich kümmert. Eva-Maria Schüle weiß, wie schwer es Landwirten fällt, ihren Hof an einen Fremden abzugeben: „Traditionell gibt man innerhalb der Familie weiter“, sagt sie. Alles andere wird skeptisch bewertet. Mit Christian Vieth aber arbeitet sie gerne zusammen: „Er verbindet Fachkompetenz und Feingefühl.“ Und er motiviere Zaghafte, in der Übergabe an Fremde eine Chance zu sehen. „So eine Übergabe dauert zwischen drei und fünf Jahre“, sagt Vieth. In einem Jahr hat seine Börse mehr als 3000 Kontakte vermittelt, zur Zeit sind bei ihm 84 Hofangebote und 190 Hofgesuche registriert. Das Überangebot an Suchenden zeigt, dass es unter jungen Leuten wachsendes Interesse an einem landwirtschaftlichen Beruf gibt. „Da gibt es vielschichtige Motive“, sagt Eva-Maria Schüle, „manchmal ein wenig Romantik, viel Idealismus, aber meistens eine bewusste Entscheidung“. In der Regel haben die Gründungswilligen Bezüge zum Landleben, Städter sind eher selten. „Die meisten Suchenden sind hoch qualifiziert, oft studiert und praxiserfahren, oft ökologisch orientiert“, sagt Vieth – aber meist ohne Eigenkapital. Das ist die größte Hürde, denn ein Arbeitsplatz in der Landwirtschaft ist teuer. Mehr als 400.000 Euro sind als Investition dafür nötig, ohne Kredit geht das nicht. Weil aber die Banken zögerlich und skeptisch sind, müssen oft andere Wege der Finanzierung gefunden werden. Es gibt Partner, die helfen können. In Südbaden ist das die Regionalwert AG, gegründet vom vielfach preisgekrönten Eichstettener Landwirt Christian Hiss.
Die Regionalwert AG sammelt Geld, um es als Beteiligungskapital für landwirtschaftliche Existenzgründer einzusetzen – zum Beispiel für Joel Siegel (32). Der gelernte Obstbautechniker und frühere Sozialarbeiter suchte lange und fand 2009 endlich einen 20 Hektar großen Obstbaubetrieb in Norsingen im Kreis Breisgau-Hochschwarzwald und stellte ihn auf biologischen Anbau um. Der 82-jährige Altbauer gab das Anwesen nach einem Schlaganfall ab. Seit zwei Jahren ist Joel Siegel Geschäftsführer und Anteilseigner einer Kommanditgesellschaft, an der die Regionalwert AG beteiligt ist. Der Betrieb ist spezialisiert auf Obst- und Beerenfrüchte sowie saisonale Gemüsearten wie Spargel und Kürbisse.
Kann man in Zeiten der Großlandwirtschaft überhaupt noch jemandem raten, Landwirt zu werden? „Warum nicht?“ fragt Gründerberater Vieth zurück. „Es kommt auf die richtige Idee an.“ Das war eigentlich immer so, aber seit Landwirte ihr Geld vor allem am Markt verdienen müssen, ist der Kampf ungleich schwieriger geworden. Etliche Neugründer suchen daher neue Wege.
Solidarhöfe in Südbaden: Die solidarische Landwirtschaft – englisch: Community Supported Agriculture (CSA) – ist ein solches Modell. Entstanden ist es in den 80er Jahren in Amerika, seit einigen Jahren gibt es auch in Deutschland Solidarhöfe und ein Netzwerk.
Die Gartencoop in Freiburg und ihr Hof im Bad Krozinger Ortsteil Tunsel gehören dazu, ebenso der Luzernenhof in Seefelden im Kreis Breisgau-Hochschwarzwald. „Der Grundgedanke ist, dass eine Gruppe von Verbraucherinnen und Verbrauchern die Abnahme der Erzeugnisse garantiert und Arbeit und Ernte vorfinanziert“, sagt Magdalena Supenkämper (24) vom Luzernenhof. „Alle teilen sich die damit verbundene Verantwortung, das Risiko, die Kosten und die Ernte.“ Magdalena und ihr Mann Johannes (30) sind ausgebildete Junglandwirte, sie haben den Biohof von einer Bäuerin übernommen. Mit ihnen sind eine Imkerin, eine Käserin, ein Gärtner, mehrere Helfer und ein Auszubildender auf den Hof tätig.
Ein nicht eingetragener Unterstützerverein mit derzeit 100 Mitgliedern sammelt Beiträge ein. Die Früchte der Arbeit aus Stall und Feld werden an Verteilpunkte – unter anderem in den Freiburger Stadtteil Vauban – gebracht, wo sich die Unterstützer ihre Rendite in Form von Fleisch, Brot, Käse und Gemüse abholen können. 200 Unterstützer mit 100 Euro Beitrag im Monat, dann würde es reichen, den Hof ökonomisch stabil zu halten und den Bewirtschaftern eine auskömmlichen Lohn zu zahlen, kalkuliert Johannes Supenkämper. Noch ist man nicht so weit. Darum verkauft der Luzernenhof seine Produkte auch an Bioläden.
Ob Gründerbörse, Beteiligungsgesellschaft oder Solidarhof – Landwirtschaft ist Arbeit, nicht Romantik. Darum lächeln die Gefragten milde über den mit bunten Bildern illustrierten Hype um die Landliebe am Zeitschriftenkiosk. „Solche Moden kommen und gehen“, winkt Christian Vieth ab. An seinem Plan, selbst einen Hof zu übernehmen, hält er fest, fünf oder sechs Jahre gibt er sich noch, dann will er Dirigent sein – Landwirtschaft ist für ihn ein Konzert mit vielen Solisten.
   

Der Altbauer muss loslassen können
Nach der Landwirtschaftszählung aus dem Jahre 2010 gibt es in Deutschland noch 299 100 Landwirtschaftsbetriebe. Von diesen konnten im Durchschnitt 30 Prozent einen Nachfolger benennen. Große Betriebe, die über der sogenannten Wachstumsschwelle von 100 Hektar Fläche liegen, gibt es 33 600, also elf Prozent. Dort ist die Nachfolge öfter gesichert. Dagegen ist bei den 137 000 Höfen mit weniger als 20 Hektar Fläche die Wahrscheinlichkeit auf ein Viertel gesunken, einen Hofnachfolger zu finden.
In Baden-Württemberg gibt es 42 500 Höfe, vor 14 Jahren waren es noch 61 000. Es geht noch immer bergab, wenn auch nicht so rapide wie früher. Eine parlamentarische Anfrage der CDU im baden-württembergischen Landtag brachte die Erkenntnis, dass nur rund sieben Prozent der Bauern im Land jünger als 35 Jahre sind. „Das ist ein Signal, dass wir dringend junge Landwirtinnen und Landwirte brauchen und diese beim Start in die Eigenständigkeit stärker unterstützen müssen“, sagte der Vorsitzende des Arbeitskreises Ländlicher Raum und Verbraucherschutz, der Landtagsabgeordnete Paul Locherer (CDU).
Wie viele Höfe jedes Jahr in Südbaden mangels Nachfolger aufgeben müssen, wird vom Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverband (BLHV) nicht statistisch erfasst. Aber auch an den Mitgliederzahlen lässt sich das Hofsterben ablesen: 1991 waren es noch 21 000, heute sind es 17 200 Mitglieder. Zu gut 90 Prozent seien die Bauern organisiert, sagt BLHV-Justitiar Michael Nödl. Die meisten Betriebsübergaben gehen über seinen Schreibtisch. „Um die 400 sind das pro Jahr“, berichtet Nödl. Seine zweite Aufgabe ist die Mediation bei solchen Fällen. Dafür wurden auch eigens Mitarbeiter geschult. „Unsere Bezirksgeschäftsführer kennen ihren Bereich sehr gut“, betont Wirtschaftsmediator Nödl. Doch letztlich müssen die Hofeigentümer selbst aktiv werden und zu den Beratern kommen. Manche tun dies vernünftigerweise schon mit 50, manche sind mit 80 Jahren immer noch der Meinung, es bleibt noch genug Zeit. Das ist heikel, denn wer zu lange wartet, vergrault den Erben. „Das Klima im Betrieb prägt die Nachfolgeregelung“, sagt Nödl. Er formuliert es diplomatisch: „Das ökonomische und das menschliche Potenzial müssen ineinandergreifen.“ Kurz: Der Alte muss loslassen und den Jungen zutrauen, dass sie ein tragfähiges Konzept haben. „Die Hofübergabe muss den Sprung in die Zukunft erlauben“, sagt Nödl.
Darum sei die sogenannte präventive Vertragsmediation so wichtig. Das Mitregieren über das Grundbuch, also das Verzögern der Eigentumsübertragung oder ein fortwährendes Mitregieren bis hinein in Stall und Feld ist keine gute Voraussetzung für den Neustart. Das gilt innerhalb von Familien – und für den Fall, dass Außenstehende den Hof übernehmen umso mehr.
„Eine Übergabe an Familienfremde ist sehr selten“, sagt Nödl. Wer nicht zur Familie gehört, wird misstrauisch beäugt, zumal, wenn der Interessent noch nicht einmal genug Geld mitbringt, um den Hof zu kaufen. Es schmerzt Bauern, die in einer langen Traditionslinie stehen, als Letzter den Hof nicht an einen Nachkommen weiterreichen zu können. Da gibt man den Betrieb lieber auf, verpachtet Feld und Wald an Nachbarn und nutzt den Hof als Wohnsitz so lange es geht.
4.11.2013, Heinz Siebold

   
Christian Vieths Projekt Hofgründer: https://www.hofgruender.de.
Solidarhöfe: https://www.solidarische-landwirtschaft.org .

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