Arm und reich – faire Verteilung

Öffnet sich die Schere zwischen Arm und Reich? Wie sieht eine faire oder unfaire Verteilung aus? Zu unterscheiden ist zwischen Einkommen (was man monatlich erwirbt) und Vermögen (was man angehäuft hat). Die Einkommensungleichheit misst man über den Gini-Koeffizienten: Null für „alle Einkommen gleich verteilt“ und 1 für „extrem ungleich verteilt“. Für Deutschland liegt der Gini laut OECD bei 0,42 fürs Bruttoeinkommen (incl Steuer) und 0,3 fürs verfügbare Einkommen (nach Steuer) – das Steuersystem hat von oben nach unten umverteilt. Unter 33 OECD-Ländern liegt Deutschland auf Platz 15 im Mittelfeld.

Weitaus ungleicher verteilt sind die verfügbaren Einkommen in den USA, in England, Italien, Spanien, Griechenland oder Japan, gleicher in einigen nordischen Ländern. Das Argument der „sich öffnenden Schere zwischen Arm und Reich“ stimmt also international gesehen keineswegs.
Laut OECD sind 4,2 % der Bevölkerung in Deutschland arm, der OECD-Durchschnitt liegt bei 6 %. Dass die Armutsrate z.B. in Ungarn am niedrigsten ist, liegt  daran, dass nicht die absolute Armut (Einkommen, das zum Überleben nicht reicht), sondern die relative Armut (arm ist, wer weniger als 60% des Durchschnittseinkommen bezieht) gemessen wird. Würde jeder Deutsche das doppelte oder gar 10fache Einkommen nach Steuern und Transfers erhalten, läge die Armutsquote bei uns unverändert bei 4,2 %.
Einkommensteuersätze und Unternehmensbesteuerung wurden in den letzten Jahrzehnten gesenkt, um den Wirtschaftsstandort Deutschland attraktiver zu machen – die Einkommensungleichheit hat sich kaum vergrößert, der  Gini der verfügbaren Einkommen ist in den letzten 10 Jahren unmerklich gestiegen.
Beim Vermögen liegt der Gini-Koeffizient für Deutschland bei 0,8, aber auch hier ist Deutschland international im Mittelfeld. Die Besteuerung von Vermögen ist bei uns vergleichsweise gering – hier besteht Handlungsbedarf. Aber: Bei großer Belastung der Vermögenserträge würden sich Reiche aus Deutschland verabschieden und die Steuerhinterziehung zunehmen.

 

 

 

 Armuts-Definition der EU – verwirrend

Gemäß der Armuts-Definition der EU gilt  als von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffen, auf den mindestens EINER der drei folgenden Indikatoren zutrifft:

  • Armutsgefährdungsquote: Wer weniger als 60 % des mittleren Netto-Einkommens verfügt, gilt als von Armut bedroht. das sind in D 15,8 % der Deutschen bzw. 12,8 Mio Personen. Diese haben weniger als 952 Euro im Monat (Single) bzw. 2000 Euro (Familie mit zwei Kindern unter 14).
  • Materielle Entbehrungen: Wenn das Geld für  mindestens vier der folgenden neun Dinge fehlt: Miete, Heizung, unerwartete Ausgaben, mindestens jeden zweiten Tag eine angemessene Mahlzeit, mindestens eine Woche Urlaub im Jahr außerhalb der eigenen vier Wände, Auto, Waschmaschine, Farbfernseher oder Telefon. 5,3 % der Deutschen leben in solchen Haushalten
  • Geringe Erwerbsbeteiligung: Wenn die Erwachsenen eines Haushaltes nur bei unter 20 % der möglichen Zeit einen Job haben. Beispiel: Single weniger als 2,4 Monate/Jahr im Job.  

Da nur einer der drei Indikatoren zutreffen muß, ergeben sich bizarren Armutsfälle:Ein Facharbeiter in einer strukturschwachen Region wie Mecklenburg (Löhne niedrig, aber auch die Lebenshaltungskosten) mag wie 8,5% der deutschen unter 60% des bundesweiten mittleren Einkommens verdienen, sich aber keineswegs als „arm“ fühlen.
Noch seltsamer wird die Statistik beim Kriterium Erwerbstätigkeit. 2,3 Prozent der Deutschen verfügen über mehr als 60 Prozent des mittleren Einkommens und müssen sich bei den grundlegenden Dingen des Lebens auch nicht einschränken.
Ein Mehrfamilienhauseigentümer in Stuttgart erreicht nicht die Erwerbszeitquote von 20 % – und wird prompt in die Gruppe der Armen eingestuft.  
Stuttgart hatte 2011 eine Armutsgefährdungsquote von 20,8 %, Berlin hingegen nur 15.5% (obwohl hier jeder Fünfte von Hartz IV lebt. In Rumänien muss man lediglich knapp 110 Euro im Monat verdienen, um nicht als arm zu gelten, in Luxemburg hingegen 2833 Euro – obwohl die unterschiedliche Kaufkraft bereits herausgerechnet wurde.
24.10.2012

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