Aufschrei

d

Inversionswetterlage am Feldberg im Oktober 2021: oben warme Sonne, unten kalter Nebel

Machttechnik der Identitätspolitik:
Aufschrei, Empörung, Betroffenheit, Gefühle, Erregung der Minderheitsopfer

=====================================================

 

Identitätspolitik – Das Spiel mit der Empörung der Opfer
Wenn der Aufschrei das Argument übertönt, findet eine Veränderung der Öffentlichkeit statt, die regressive Tendenzen hat. Das ist die Strategie der Identitätspolitik. Ihr Machtkern liegt in dem Dogma, dass den Gefühlen der Opfer absolut geglaubt werden muss. Damit stellt sie sich radikal gegen die Ideale der Aufklärung.
….
Und um diese Verbindung aus persönlicher Betroffenheit und allgemeiner Forderung geht es der Empörungsmechanik. Denn erst hier entsteht das, was seit Jahren unter dem sperrigen Namen der Identitätspolitik Zulauf erfährt. Dabei kommt ein Dreischritt zur Anwendung, der überaus wirkungsvoll ist.
1) Im ersten Schritt wird ein persönliches Gefühl aus dem Bereich der Ängste geäußert, wie etwa Bedrohung, Traumatisierung und Retraumatisierung.
2) Im zweiten Schritt wird verlangt, dass diesen Gefühlen absolut geglaubt werden muss. Wer seine Angst äußert, ist nicht etwa furchtsam, sondern erleidet eine objektiv gefährliche Situation. Die Ursachen der Angst liegen immer in der Gesellschaft und niemals im Subjekt selbst.
3) Im dritten Schritt wird aus der Abhängigkeit der Gefühle von ihren gesellschaftlichen Ursachen eine allgemeine politische Forderung abgeleitet: Damit niemand mehr Angst haben muss, müssen alle Mikro- und Makroaggressionen unerbittlich geahndet werden.

Wie machtvoll dieser Mechanismus wirkt, zeigt sich daran, wie schwer es der Öffentlichkeit inzwischen fällt, zwischen berechtigten und unberechtigten Gefühlsargumenten zu unterscheiden. Durch den strategischen Einsatz der eigenen Gefühle im Erregungswettbewerb ist diese Unterscheidung sehr kompliziert geworden. Je eindringlicher Gefühle öffentlich gezeigt werden und je mehr Menschen ihnen glauben, desto schwerer wird es, ihrem Absolutheitsanspruch zu widersprechen.

Treibende Kräfte für die Inflation der Gefühle sind die sozialen Netzwerke und die identitätspolitische Methode. Beide belohnen Gefühle mit Aufmerksamkeit und vergrößern den Resonanzraum für den Aufschrei des Opfers.

Die Empfänglichkeit für menschliche Verletzungen ist Teil des gesellschaftlichen Fortschritts. Doch zugleich ist diese Empfänglichkeit so sehr zum Teil der Empörungsspirale geworden, dass sie als neue Machttechnik kritisiert werden muss. Wenn der Aufschrei das Argument übertönt, und wenn dem Gefühl mehr Wahrheit zugestanden wird als der Rationalität, findet eine Veränderung der Öffentlichkeit statt, die stark regressive Tendenzen hat.

Diese regressive Tendenz wird von der Identitätspolitik strategisch betrieben. Denn ihr Machtkern liegt in dem Dogma, dass den Gefühlen der Opfer absolut geglaubt werden muss. Damit stellt sie sich radikal gegen die Ideale der Aufklärung.
Die aufgeklärte Öffentlichkeit sah von Beginn an ihre Aufgabe darin, dass sie jeder absoluten Macht einen kritischen Gegenspieler gegeben hat. Die Kirche sah sich der Religionskritik gegenüber, der Adel dem bürgerlichen Liberalismus, und die demokratischen Regierungen haben eine Opposition und einen kritischen Journalismus. Die wissenschaftliche Wahrheit hat dieses Prinzip schließlich zur Grundlage ihrer Aussagen gemacht, die nur dann als wahr gelten, wenn sie auch widerlegt werden können. Aktuell existiert nur noch ein Wahrheitsanspruch ohne kritische Gegenstimme: Die Gefühle, die von Opfern geäußert werden, sollen unwidersprochen und absolut geglaubt werden.
Mit diesem Dogma zeigt die identitätspolitische Methode, dass sie besser als alle anderen Interessensvertretungen verstanden hat, wie die Öffentlichkeit funktioniert. Gefühle und nicht mehr Leistung oder Expertise sind der neue Wert. Und den größten Wert stellen die Gefühle des Opfers dar. Je unwidersprochener sie geglaubt werden müssen, desto größer ist ihr Nutzen für die identitätspolitische Agenda. Um diese neue Macht zu bewahren und auszubauen, wird jede Stimme, die es noch wagt, an der absoluten Gültigkeit der Gefühle zu zweifeln, mit dem schärfsten Bannfluch belegt.
… Alles vom 26.10.2021 von Bernd Stegemann bitte lesen auf
https://www.cicero.de/kultur/identitatspolitik-das-spiel-mit-der-emporung-lukaschenko-kuhnke-feldmann-ofarim
.
Bernd Stegemann ist Dramaturg und Professor an der Hochschule für Schauspiel (HfS) Ernst Busch. Er ist Autor zahlreicher Bücher.
Zuletzt erschienen von ihm das Buch „Die Öffentlichkeit und ihre Feinde“ bei Klett-Cotta und „Wutkultur“ bei Theater der Zeit (August 2021).
  .
Einige Kommentare:
Als weisse Indigene sehe ich mich mehr und mehr an den Rand gedrängt
Linke Gewalt und Gesinnung haben mich bewogen, dieses und die nächsten Jahre die Buchmesse nicht zu besuchen. Als normaler Bürger fühle ich mich durch linke Verlage und die Schlägertrupps der Antifa in meinen demokratischen Rechten eingeschränkt und bedroht. Als weisse Indigene sehe ich mich mehr und mehr an den Rand gedrängt und muss mir unwürdige Argumente von PoCs anhören, die mich als Person nicht würdigen.
Also liebe Buchmesse, verbietet diese linken Antidemokraten hinter dem Deckmantel von PoC. So oder so ähnlich kann man es auch sehen. Als nächstes springt die Augsburger Puppenkiste mit Jim Knopf über die Klinge.
26.10.2021, E.H.

Nur so geht es! Man muß die Argumentation der Randgruppen übernehmen,
damit den Leuten endlich klar wird, welches miese Spiel permanent mit ihnen betrieben wird. Das merken die sonst in hundert Jahren noch nicht. Mein Vater sagte oft zu mir: Wenn du mit deinen Argumenten kein Gehör bw. keine Mehrheit findest, dann versuche, deine Gegner mit ihren eigenen Waffen zu schlagen. Das ist kein schlecher Rat. Wir geben viel zu leicht auf.
Man muß diese schreckliche Identitätspolitik mit ihren Empörungsnummer ad absurdum führen, indem man selbst deren Methoden übernimmt. Dies hat in Köln jemand getan (den Namen habe ich vergessen: Gerd Buurmann), indem er verlangt hat, daß er – ebenso wie dies der Muezzin dank der Oberbürgermeisterin Reker demnächst tun wird – über Lautsprecher einmal in der Woche laut hörbar über der Stadt seinen Unglauben herausbrüllen darf: „Ich glaube an keinen Gott! Weder an Allah noch an sonstwen. Ich halte jede Religion für schädlich …“ !!! (Oder so ähnlich) Ja, richtig! Wenn die Muslime schreien dürfen, dann bitte demnächst auch Atheisten. S o muß man mit Unverschämten umgehen. Wir „Normalen“ müßten z. B. uns irgendwo treffen und unsere miesen Gefühle beklagen, die wir beim Anblick von Geschlechtsverkehr ausführenden Schwulen u. Lesben haben und kategorisch fordern, daß wir von Derartigem im ÖRF in Zukunft verschont bleiben. Oder ist es etwa so, daß unsere Gefühle weniger wert sind als die anderer???
26.10.2021, Ch.W.

Empörung als Mittel zum Zweck?
Zitat: „Damit niemand mehr Angst haben muss, müssen alle Mikro- und Makroaggressionen unerbittlich geahndet werden.“ Gilt diese Forderung für alle Ängste oder nur für die (auch und gerade) in den Medien (auch den sozialen) gehypten Ängste? Wenn alle Ängste gemeint sind, wo wird z. B. die Angst vor einer Überfremdung des Landes im angestrebten Vielvölkerstaat vor Aggressionen geschützt?
Zitat: „Gefühle und nicht mehr Leistung oder Expertise sind der neue Wert“ (in der Öffentlichkeit), den viele Journalisten und NGOs zur Durchsetzung ihrer Agenda nutzen. Könnte es sein, dass die von der Konkurrenz betriebene Entlassung des Journalisten Reichelt eine Rache für die Bekanntmachung des Ofarim-Videos war?
Zitat: „Denn würde es zur Regel, dass … nicht, würde eine regressive Entwicklung beschritten, die im Totalitarismus mündet.“ Wie weit haben wir den Weg schon beschritten und können wir zurückfinden? Ist der Fall „Kimmich“ der nächste Schritt auf diesem Weg?
26.10.2021, H-J.W.

Sogenannte Meinungsfreiheit
Der Artikel von Herrn Stegemann findet meine volle Zustimmung. Es ist geradezu grauenhaft, mit welcher Vehemenz Gefühle und subjektive Betroffenheit zum Maß aller öffentlichen Meinungen gemacht werden. Und wie schnell Verurteilungen stattfinden, ohne zunächst die Fakten zu prüfen. Jede Medaille hat bekanntlich 2 Seiten. Dieselbe öffentliche Empörung fehlt aber, wenn auf chinesische Regierungseinfluss hin die Lesung eines Lebenslaufes des Diktators Xi am Konfuzius-Institut der Leibniz-Universität abgesagt wird. Ein Aufschrei müsste durchs Land gehen gegen politische Manipulation und für die Freiheit von Wissenschaft und Lehre – wie sie Deutschland so gerne in den Mund nimmt. Stattdessen Duckmäusertum, mangelndes demokratisches und nationales Selbstbewusstsein bis zur Selbserniedrigung. Erschreckend und beängstigend!
26.10.2021, A.O.

Exzellenter Beitrag. Identitätspolitik als massenpsychologisches Phänomen.
Fakten spielen eine untergeordnete Rolle. Entscheidend ist nur, dass eine Meldung in die verherrschenden Narrative passt, um eine starke und mächtige Resonanz auszulösen.
Dank an Prof. Stegemann für den erhellenden und mutigen Beitrag.
26.10.2021,w.E.

Aufklärung ist Teil der kultur-historischen Wurzeln westlicher Demokratien
Der Verlust dieser Wurzeln mündet in Atomisierung, Identitätslosigkeit – in den Egozentrismus, der keine gemeinsamen Interessen entstehen lassen kann. Orientierungs- und Bindungslosigkeit sorgen für einen Mangel an Denk- und Urteilskraft, für einen eklatanten Wirklichkeitsverlust, den Verlust des gesunden Menschenverstandes, der als verlässlicher Kompass verschwindet.
Vermeintliche Aufgeklärtheit, dünkelhaftes Besserwissen, blasiertes Sich-Überlegen-Fühlen lassen mit Hilfe vehement-dramatischen Gefühlspathos eine moderne Mythenbildung entstehen, die sowohl von Leichtgläubigkeit, als auch von Zynismus geprägt ist. Die Entwurzelung ist totalitär angelegt. Daraus resultiert Hannah Arendts Feststellung: „Nur wo der gesunde Menschenverstand seinen Sinn verloren hat, kann ihm totalitäre Propaganda ungestraft ins Gesicht schlagen.“ Sie wird unserer Gesellschaft immer tiefere Wunden zufügen – sie zerreißen.
26.10.2021, G.F.

Ohne das Internet wäre es kaum möglich, dass Minderheiten die Gesellschaft terrorisieren, sofern sich die Einzelnen nicht wehren. Es bleibt festzustellen, dass die Einteilung von Menschen („Diversität“ ) mit dem Ziel, sie als „gut“ oder „böse“ zu deklarien nicht nur die Gesellschaft spaltet, die das nicht bemerkt. Zugleich ist diese Bewegung – in welcher Form auch immer – zutiefst antidemokratisch und gegen das Grundgesetz gerichtet, das j e d e m Menschen – nicht nur den sich selbst lautstark zur Schau stellenden – eine Existenz zubilligt.
26.10.2021, W.B.

Was wir brauchen sind Menschen, die die Dinge beim Namen nennen
Grundsätzlich haben sie mit allem was ..sie sagen Recht. Mir persönlich ist aber der Umgang mit dem Problem zu sanft. Auf der einen Seite haben wir eine radikale Ideologie, die Menschen wahllos auf den medialen Scheiterhaufen zerrt, Kläger und Richter in einem ist und sich weder um Vernunft noch um die Wahrheit schert. Und schon gar nicht um die Menschen, denen sie schadet.
Auf der anderen Seite haben wir Journalisten, die vorsichtig am ideologischen Wespennest stochern.
Jetzt mal Hand auf’s Herz – glauben sie wirklich, dass Frau Kuhnke auch nur der geringsten Gefahr ausgesetzt war? Oder handelt es sich hier um eine hysterische Frau, die sich auf Kosten anderer in den Mittelpunkt gerückt und in ihre eigene Fantasie hinein gesteigert hat? Was glauben sie passiert, wenn man diese Menschen mit Samthandschuhen anfasst? Richtig, gar nichts. Genau deshalb konnte sich diese Ideologie etablieren. Was wir brauchen sind Menschen, die die Dinge beim Namen nennen. Die diese Ideologie als das bloßstellen, was sie ist – gestört.
26.10.2021, M.M.

Das Spiel mit der Empörung
Bin schon gespannt, wann Bernd Stegemann seinen Job verlieren wird. Genug Empörte wird es sicher geben. Es ist ja auch vermessen und ungehörig, die Ideen der Aufklärung für gut zu befinden. Was not tut, ist Gefühl, eigene Befindlichkeit. Argument, Problemorientierung, Nachdenken, Ratio –alles überflüssig. Stehen alle für den Rassismus der alten weißen Männer. Identitätspolitik ist die Egomanie der hirnlosen Unbedeutenden. Ziel: auch mal in den Medien auftauchen. Selbstbefriedigung. Und es geht um Macht. Die Macht der Ersatzreligion. Da will man doch dazugehören. Und es geht um die persönliche finanzielle Bereicherung.
Die „Bewegungen“ (schon dieser Begriff sagt alles) „me too“ und „black lives matter“ sind zutiefst antisemitisch. Der Erzfeind lebt immer noch. Die totale „Unterwerfung“ geht rasant voran. Der heutige Faschismus nennt sich nicht mehr Faschismus, hat sich verkleidet. Die Ausschaltung und Verteufelung des Denkens zugunsten des Gefühls war Programm im Dritten Reich.
26.10.2021, G.S.

Am Ende wird sich diese Ideologie selbst zerstören
Es ist alles gesagt, aber nichts diskutiert. Danke Herr Prof. Stegemann. Sie haben das Problem zur Kernschmelze gebracht. Ich kann allen Foristen hier nur zustimmen und erspare mir deshalb Weiderholungen. Nur eines sollte aus meiner Sicht bedacht werden. Schaffen sich solche Veranstaltungen am Ende selbst ab, weil es der Identitätsideologie gelingt, traditionelle und eigentlich der Meinungsfreiheit dienende Büchermessen im Kleinen, wie im Großen zu diskreditieren durch angebliche Bedrohungsgefühle? Will man das genau erreichen?
Am Ende wird sich diese Ideologie selbst zerstören, man muss ihr nur oft und laut genug den Spiegel vorhalten. Es ist für mich aber nur ein weiterer Beleg, wie sehr die Medien sich unkritisch in der Hoffnung auf mehr Abos diesem Hype unterwerfen. Nur, am Ende des Tages verlieren sie und ersticken an ihrer eigenen selbsterzeugten Empörung. Deshalb lehne ich mich inzwischen gelassen zurück und beobachte die Selbstzerstörung der Medien und ihrer Akteure. In der Ruhe liegt die Kraft und die Energie zur Wende.
27.10.2021, E-G.K.
.

Das Pendel schlägt nun in die andere Richtung
Nachdem rassistische, sexistische und behindertenfeindliche Abwertung, Bedrohung, Gewalt von den Machtinhabern jeher geleugnet oder bagatellisiert wurde (Herr Stegemann wird die Verhältnisse im Bereich Theater und darstellende Kunst kennen), schlägt das Pendel in die andere Richtung aus. Nicht durchgehend schön (insbesondere nicht für die bisherigen Profiteure, vgl. die meisten Kommentare hier), aber wie es mit den Pedeln so ist, es geht auch wieder in die andere Richtung.
27.10.2021, A.M.
.
Ein gefühlsbetonter Aufschrei bestimmt bei uns seit 2015 das Narrativ. Besonders zu erkennen an der lauten, regressiven Verbannungskampagne gegen die AfD. Vorgeschobene Gründen, die der Angst des Machtverlustes von machtgeilen Politikern geschuldet sind, kennzeichnen dieses strategisch betriebene narrativ, dass unterstützt von den abhängigen Mainstreammedien betrieben wird.
Wie die konstituierende Sitzung gezeigt hat, wird sie sich weiter fortsetzen und unsere Gesellschaft weiter spalten. Wer den Mut hat, Gegenargumente vorzubringen, setzt sich einer gewissen Ächtung aus. Gegendarstellungen werden nicht geprüft, weil man die absolute Wahrheit gepachtet hat.
27.10.2021, H.SCH

Dieser Text (von Bernd Stegemann) trifft wirklich mitten ins Herz!
Schon seit Wochen nicht mehr einen so analytisch haarscharfen und zutreffenden Text gelesen! Vielen Dank, Herr Stegemann für Ihre Ausführungen!
Pflichtlektüre für jeden Gemeinschaftskunde-Unterricht der Oberstufe an Gymnasien. Es ist jedoch zu befürchten, dass die grün-linken Taktgeber in den Schulen, den Text als AfD-kontaminiert aussortieren werden. Auch an den Universitäten sollte man sich fächerübergreifend mal diesen Text zu Gemüte führen!
27.11.2021, W.J.
Ende Kommentare