Synagogenbrunnen – planschen

Gut, wenn Kinder im Wasserbecken mit dem Grundriss der 1870 erbauten und 1937 zerstörten Synagoge planschen mitsamt ihren Bächle-Boten. Denn Planschen hat Zukunft. Auch gut, wenn Erwachsene am Beckenrand über Denkmale bzw. Erinnerungskultur diskutieren und dabei (später mal?) mehrsprachige Infoblätter vorfinden. Denn Diskutieren dient dem Lernen aus der Vergangenheit.
Schlecht, wenn erwachsenes Partyvolk, Bierkästen und Hunde im Synagogenbrunnen planschen. Schlecht ist auch, wenn statt Diskussion oberlehrerhaft die Geschichtsbewältigung herbeibefohlen wird mit Verbotsschildern und gar Zäunen.
Seit 1947 konnte an dieser Stelle Gedenken an die Zerstörung der Freiburger Synagoge zwischen Theater und Universität gepflegt werden – wurde aber nicht. Vielleicht helfen planschende Kinder, dass sich dies nach nunmehr 70 Jahren ab August 2017 endlich ändert.
22.8.2017

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„Platz der Alten Synagoge“: Blick über den Synagogenbrunnen nach Südwesten zur neuen Uni-Bibliothek am 19.8.2017
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Lebensfreude und Gedenken
Das Mahnmal lädt zur Freude ein und ist trotzdem ein Ort der Erinnerung. Geben wir alle dem Platz und dem Mahnmal ein Jahr Zeit. Oder warten wir ein paar Wochen ab. Im Herbst schon wird dort, wo jetzt an heißen Tagen und an lauen Abenden die Gegenwart nass und laut genossen wird, eine einladende aber auch dunkle Stille sein. Es ist ein lebendiger, offener Platz der Gegenwart mit einem Mahnmal, das zum Leben und in die Zukunft, aber auch zur Sammlung und in die Vergangenheit einlädt. Wir werden ein ganzes Jahr benötigen, um das zu bemerken. Jahrzehntelang war mir selbst die Alte Synagoge unbekannt, vom Namen her aber bekannt. Ich war noch nie zum Gedenken dort. In den Tagen seit der Eröffnung war ich schon mehrfach dort, zum Schlendern und Genießen, aber dann auch, um still zu gedenken. Im Laufe nur eines Sommertages zeigt sich: Das Mahnmal lädt zur Lebensfreude ein und ist trotzdem schon jetzt ein Ort der stillen Erinnerung und eine Mahnung in die Zukunft. Das Mahnmal spricht ohne viele Worte für sich. Stellen wir uns Fremde auf dem Platz vor. Wer nichts sucht, wird dort nichts finden. Wer eine Alte Synagoge sucht, wird das Mahnmal und … Gedenken finden. Wird eine Gedenktafel diesen Fremden beim Gedenken helfen?
10.8.2017, Marcel Loenz, Freiburg, BZ

Anna-Marlene Tauber (38), Dozentin aus Freiburg: „Die Fontänen und der Brunnen sind für die Kinder super zum Spielen, deswegen bin ich mit meinem Sohn auch hier. Sonst ist der Platz aber recht hässlich. Die Bäume sind eingekastelt und es ist viel zu steinlastig.“
…. Alles vom 5.8.2017 auf
https://www.badische-zeitung.de/freiburg/wie-gefaellt-der-neue-platz-der-alten-synagoge–140241456.html
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„Alte Synagoge“ besser als „zerstörte Synagoge“
Ich kann einen Teil der Argumente für die Umbenennung nachvollziehen, und sie sind sicher gut gemeint. Nach meinem Empfinden wäre die Umbenennung jedoch nicht sinnvoll. Einmal reduziert es die Alte Synagoge darauf, dass sie zerstört wurde. Daran zu erinnern ist wichtig, aber die Geschichte der Alten Synagoge war doch nicht nur das Verbrechen ihrer Zerstörung, Deportation ihrer Gemeindemitglieder und Versuch, jüdisches Leben in der Stadt auszulöschen. Da gab es doch Jahrzehnte davor, in der die Synagoge und die Jüdische Gemeinde eine Rolle in der Geschichte Freiburgs spielten.
Das ist immer sehr schade in Deutschland, dass Judentum fast ausschließlich mit den monströsen, furchtbarsten Verbrechen während der Nazizeit in Verbindung gebracht wird. Judentum ist aber doch sehr viel mehr. Für mich ist auch sinnvoll, dass sich jemand, der den Namen „Alte Synagoge“ hört, die Geschichte selbst erarbeitet, sich fragt, warum alt, wo ist sie jetzt, was ist passiert, wieso und weshalb.
Und auch wirft der Name Alte Synagoge bei jemandem, der mehr als drei Sekunden über einen Namen nachdenkt die Frage auf: „Wenn es eine Alte Synagoge gab, dann gibt es ja doch auch eine Neue Synagoge in der Stadt?“ Und das finde ich einen sehr guten Frageanschluss, mit dem der nachdenkende Mensch dann draufkommt, dass es in unserer Stadt eine existierende, lebendige jüdische Gemeinde in der Neuen Synagoge in unserer Stadt gibt.
21.8.2017, Christoph Güthner, Schallstadt
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Freiburgs neue Mitte: Der Platz der Alten Synagoge ist freigegeben
Der Platz der Alten Synagoge ist seit Mittwochmittag für die Öffentlichkeit freigegeben. Freiburgs neue Mitte mit dem Gedenkbrunnen an die Synagoge, Wasserspielen und Holzbänken zog sofort Passanten an. „Dieser Platz wird leben“, meinte Oberbürgermeister Dieter Salomon. …. Alles vom 2.8.2017 bitte lesen auf
https://www.badische-zeitung.de/freiburg/freiburgs-neue-mitte-der-platz-der-alten-synagoge-ist-freigegeben–140155800.html
https://www.badische-zeitung.de/freiburg/ueber-die-neugestaltung-des-platzes-der-alten-synagoge-wurde-mehr-als-30-jahre-diskutiert–140073182.html

Gedenkstätte mit Leben füllen
Olga Eryganov (53), Schneiderin aus Freiburg: „Es ist ein Platz für die Liebe und das Leben geworden, der schönste Platz in Freiburg. Aus meinem Fenster sehe ich die Kinder, wie sie spielen, und höre sie quietschen. Da geht einem das Herz auf. Eine Gedenkstätte sollte man mit Leben füllen, und das ist hier gelungen. Viele sagen, es fehlt ein wenig Grün. Aber als vorher alles grün war, saß da meist keiner.“ … Mehr vom 5.8.2017 auf
https://www.badische-zeitung.de/freiburg/wie-gefaellt-der-neue-platz-der-alten-synagoge–140241456.html
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Erinnerungskultur in Freiburg: Eine Sache des Anstands
Die Plansch-Debatte zum Brunnen auf dem Platz der Alten Synagoge spaltet Freiburg. Was für den einen noch freundliche Annäherung ausdrückt, ist für den anderen schon Respektlosigkeit und Rüpelei. … Alles vom Thomas Fricker vom 4.8.2017 bitte lesen auf
https://www.badische-zeitung.de/kommentare-1/erinnerungskultur-in-freiburg-eine-sache-des-anstands–140208455.html
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Planschen oder nicht?
@Herr Ketterer “Man kann kein Planschbecken bauen – egal in welcher Form – um dann bei 30 Grad im Schatten zu sagen: „Da darf man aber nicht rein!“
„Man“ hat auch kein „Planschbecken“ gebaut, sondern „Der flache Brunnen auf dem Grundriss der Synagoge ist als angemessene Erinnerung geplant – 300 Quadratmeter ruhiges Wasser, das über den Rand läuft, erklärt Tiefbauamtsleiter Frank Uekermann.“ Da war m. E. kein „Planschbecken“ geplant – oder sehen Sie das nach der Zweckentfremdung anders?
Selbst Rami Suliman, der Vorsitzende des Oberrats der Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden hat damit kein Problem sondern begrüßt es: Auszug aus der BZ vom Donnerstag: „Ich habe kein Problem damit, dass Kinder oder Erwachsene mit dem Wasser spielen“, sagt er. „Es gibt so viele traurige Gedenkstätten. In diesem Fall ist das Wasserbecken Teil des Lebens auf dem Platz.“ Das sei kein Mahnmal, kein heiliger Ort, „es ist vielmehr ein Zeichen, dass Judentum in Freiburg Teil der Gesellschaft ist“.
Aber Frau Irina Katz sieht das anders: „Die Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Freiburg, Irina Katz, empfindet außer Empörung vor allem dieses: Scham.“
Wer hat nun Recht? …
4.8.2017, Andreas Quirin, BZO

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