Pokemon und Pokestops in FR

Seit Frühjahr 2016 wird überall Pokemon Go gespielt – aber das gibts nur in Freiburg: An einem Bächle sitzen, die Füße im frischen Wasser, das über die Dreisam aus dem Schwarzwald hergeleitet wurde und am Screen des Smartphone ein Poke einfangen. Dabei ist man nicht alleine, an der Herrenstrasse nahe dem Münster zwischen C-Punkt und Konviktkirche sitzen schon mal 150 Leute rum, da sich hier vier Pokestops kreuzen.

Das Spielsucht-Potential von Pokemon ist groß, aber zum Glück wird nicht zuhause am PC gespielt wie früher mit den Computerspielen a la Counterstrike, sondern draußen im öffentlichen Raum auf Plätzen, Wiesen, Strassen, wo sich virtuelle und reale Welt treffen.  Am Pokepoint vor dem C-Punkt in der Herrenstrasse zum Beispiel: Schön zu erleben, wie hier die sonst gebannt auf ihren Screen blickenden SpielerInnen miteinander ins Gespräch kommen, obwohl sie sich überhaupt nicht kennen.
Wird der Pokemon-Hype anhalten? Ja sicher, denn der Hersteller in den USA wird die mit der Registrierung gesammelten riesigen Datenmengen dazu nutzen, um über immer neue Features die Attraktivität des Spiels zu erhalten. Und am Pokepoint Herrenstrasse wird demnächst ein Wägelchen mit Eis + Café aufmachen – mal schauen.

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(1) Konviktkirche FR 26.7.2016              (2) Poke und Bächlewasser                         (3) Herrenstrasse Bächle 26.7.

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(4) Pressefotograph 26.7.2016

(1) Eine Schulklasse aus Emmendingen beim Ausflug nach Freiburg.
(3) Soeben passiert: Ein Handy fiel ins Bächlewasser. Also für Freiburgs Pokemoner bitte wasserdichte Smartphones verwenden.

Warum hinter dem Münster so viele Pokémons leben
Freiburgs prominenteste Stelle zum Pokémon-Fangen befindet sich in der Herrenstraße vor der Konviktskirche. Hier sind so viele Spieler auf der Jagd, dass es manche Anwohner nervt – andere aber auch nicht.
„Pokémon! Komm schnapp sie dir!“, so lautete schon 1999 bei der deutschsprachigen Erstausstrahlung der japanischen Comic-Serie „Pokémon“ der animierende Soundtrack. Mehr als 15 Jahre später erlebt der Kult aus Japan eine späte Renaissance. Mit dem Handy Spiel „Pokémon Go“ folgen nun weltweit zig Millionen Menschen diesem Ruf und gehen auf Pokémon-Jagd.
„Man muss das Ganze auch als Chance verstehen, eine Schnittstelle zur Lebenswelt der jungen Leute zu finden.“Robert Eberle, Erzdiözese Freiburg

Das Spiel verbindet die virtuelle Welt der Pokémons mit der realen Umgebung des Spielers. Legt man sich ein Profil an, bewegt man sich als Pokémon-Trainer im realen Kartennetz seiner Stadt und fängt Pokémon, trainiert diese und tritt gegen andere Spieler an. Das im Fachjargon sogenannte Augmented Reality Spiel Pokémon Go lebt dabei von seinen „Pokéstops“, an denen sich vermehrt Pokémons aufhalten. Außerdem können hier die zum Fang von Pokémons notwendigen Pokébälle erworben werden.
Freiburgs prominenteste Stelle zum Pokémon-Fangen befindet sich in der Herrenstraße vor der Konviktskirche. Hier überschneiden sich vier Pokéstops. Deswegen sind zu fast jeder Tages- und Nachtzeit bis zu 150 Spieler hier und belegen alle Sitzmöglichkeiten. „Wir sitzen schon fast eine Stunde hier und es wird nicht langweilig“, erzählt ein aktiver Pokémon-Spieler. Viele der Handygamer bleiben auch mehrere Stunden. Für die Nutzer hat das Spiel zugleich einen sozialen Nebeneffekt: „Man kommt mit anderen ins Gespräch, tauscht sich aus. Und es macht einfach Spaß, gemeinsam zu spielen und sich gegenseitig zu helfen“, so einer der Pokémon-Trainer.
Und all’ das direkt zwischen Münster und Konviktskirche. Die Erzdiözese stört das bisher nicht. „Es halten sich mehr junge Menschen vor der Kirche auf als je zuvor“, zeigt sich Robert Eberle grundsätzlich positiv überrascht vom unerwarteten Phänomen „Pokémon Go“. „Man muss das Ganze auch als Chance verstehen, eine Schnittstelle zur Lebenswelt der jungen Leute zu finden“, so Eberle, der schon mit den Spielern gesprochen hat. „Selbstverständlich dürfen keine Gottesdienste gestört werden. Da wäre dann Schluss mit dem Verständnis“, mahnt er allerdings.
Auch nachts wird gespielt – das nervt die Anwohner. Ähnlich optimistisch sieht auch Necla Keser, Inhaberin des „Schmuckstücks“, das Spiel. Der Souvenir-Laden liegt unmittelbar am Schnittpunkt der vier Pokéstops: „Gerade vor der Kirche halten sich auch ältere Menschen auf, die fragen nach und kommen so mit den Jugendlichen ins Gespräch, so treffen zwei Generationen aufeinander; das ist doch sehr angenehm.“ Im nächsten Moment muss die Ladeninhaberin dann aber doch einschreiten: „Leute, nicht in der Deko sitzen, bitte!“
Auch Christine Kühn fallen die etwa 50 Jugendlichen vor dem Eingang ihrer Kirche auf. „Es hat irgendwie etwas Friedliches, wie sie alle dort sitzen und gebannt auf ihre Bildschirme starren“, findet die regelmäßige Kirchgängerin. Doch nicht nur lokale Pokémon-Jäger erkennen das Pokémon-Schlaraffenland für sich; auch Tagestouristen merken, dass hier seltene Pokémons warten: „Wir machen einen Tagesausflug mit der Klasse und meine Schüler haben gerade fünf Pikachus (sehr seltenes Pokémon, Anm. der Redaktion) gefangen“, sagt Siegfried Peter, Lehrer der Realschule Achern, sichtlich amüsiert über die Euphorie seiner Schüler.
Allerdings sorgt der Ansturm nicht bei jedem für Begeisterung. Insbesondere in den Nachtstunden hallt es besonders in der engen Herrenstraße. Anwohner haben deshalb bereits mehrfach die Polizei gerufen. Und: „Ich musste heute morgen leider den ganzen Müll der jungen Leute beseitigen“, berichtet Necla Keser.
Lena Konstantinidis und Bastian Nill, 27.7.2016

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