Stadttunnel wichtigstes Projekt

Gespräch mit den beiden Vorsitzenden des Bürgervereins Oberwiehre/Waldsee, Karl-Ernst Friederich und Helmut Thoma, der auch Mitglied des Stadtrats ist. Welche Themen sind denn für den Freiburger Osten derzeit wichtig?
Friederich: Das ist der Stadttunnel – das ist für unseren Stadtteil das Mega-Projekt schlechtweg. Der Ganter-Knoten, von manchen als gordischer Knoten bezeichnet, beschäftigt uns sehr.
Dreisamtäler: Diese Antwort verwundert mich. In der Öffentlichkeit ist dieses Thema nicht präsent.
Thoma: Wir befinden uns aber jetzt in der entscheidenden Planungsphase. Die Grundsatzentscheidung, dass am Ganter-Knoten nun ein Voll-Anschluss kommt, ist gefallen. Das war uns ein großes Anliegen, denn damit wird der oberirdisch verbleibende Verkehr noch einmal ganz entscheidend reduziert. Die Folge ist allerdings, dass es dort nicht nur zwei, sondern vier Rampen geben wird. Den Vollanschluss haben wir einem Kunstgriff zu verdanken: die B 31 wird künftig blaue Schilder bekommen und zur Autobahn umgewidmet. Das ist ein formaler Schachzug, denn Bundesstraßen dürfen nur an den Stadtgrenzen Vollanschlüsse haben. Hätte die Stadt trotzdem auf einem Vollanschluss bestanden, hätte sie die Mehrkosten selbst tragen müssen. So übernimmt der Bund die Kosten.
Friederich: Ein weiterer wichtiger Aspekt betrifft die Frage, welche Kapazität das oberirdische Straßennetz noch haben wird. Dort soll nur noch der Restverkehr abgewickelt werden und der wird beim Pkw-Verkehr um 70 % reduziert und bei den Lkws um 95 %. Ziel bei solch einer drastischen Verkehrsreduzierung muss dann auch die Verringerung der oberirdischen Verkehrsfläche sein: weniger Asphalt und mehr Raum für Fußgänger und Radfahrer. Zwei Fachbüros und das Stadtplanungsamt arbeiten schon ganz offiziell an diesem Thema.
Thoma: Der Stadttunnel bietet enorme Chancen für die Stadtentwicklung, von der viele Menschen profitieren. Auch wenn die Dreisam nur ein kleines Flüsschen ist, so sehen manche dort, wo heute der Durchgangsverkehr tobt, schon einen künftigen „Dreisamboulevard“.

Dreisamtäler: Wobei bis zur Realisierung schon noch viel Wasser die Dreisam runter fließen wird …
Thoma: Das Land hat den Stadttunnel sehr weit oben eingestuft. Entscheidend ist jetzt, dass der Bund bei dieser Höherstufung mitzieht. Momentan läuft hier einiges hinter den Kulissen und als Bürgerverein haben wir da keinen Einfluss. Eine harte Zeit wird die Bauphase. Wir bekamen während der Sanierung der Leo-Wohleb-Brücke im letzten Jahr schon einen kleinen Vorgeschmack. Doch das war im Vergleich zur Bauphase beim Stadttunnel ein idyllisches Kaffeekränzchen.
Friederich: Die Bauphase wird Jahre dauern und für die Anwohner wird es eine enorme Zumutung sein. Aber mit der Perspektive, dass sich das auch lohnt und es danach wirklich besser wird, sind wir bereit, diese Einschränkungen in Kauf zu nehmen.
Thoma: In diesem Zusammenhang haben wir auch schon sehr frühzeitig eingebracht, dass wir eine „Schweizer Lösung“ wollen, wenn Tunnelröhren aufgrund von Wartungsarbeiten gesperrt werden müssen. In der Schweiz fließt dann der Verkehr in der anderen Röhre – eben mit Gegenverkehr. Das, was momentan beim Kappler und Schützenallee-Tunnel praktiziert wird, dass der Verkehr nämlich oberirdisch über die Schwarzwaldstraße oder Littenweiler umgeleitet wird, ist nicht akzeptabel!

Dreisamtäler: Sind denn der SC und die Stadion-Verlegung ein Thema beim Bürgerverein?
Friederich: Wir haben uns aus der Debatte zur Standortsuche rausgehalten. Der SC ist bei uns beheimatet und gerne gesehen, wir würden ihn gerne behalten. Der SC will und muss jedoch weg, um sich weiter entwickeln zu können. Das ist an dem jetzigen Standort nicht möglich. Uns ist wichtig, was dort hinkommt, wenn der SC weg ist. Da mischen wir uns ein!
Thoma: Was auf dieser Fläche geschehen soll, ist noch nicht ansatzweise entschieden. Wir könnten uns weiterhin eine sportliche Nutzung vorstellen, zum Beispiel den EHC. Wenn die Infrastruktur für den SC ausreichte, dann sollte das auch für den EHC möglich sein. Ob und wie das finanzierbar wäre, steht noch völlig in den Sternen. Meiner Meinung nach könnte man auch über eine „sportkompatible“ Wohnbebauung nachdenken. Alle tun so, als könne das Problem des knappen Wohnraums nur im Westen der Stadt gelöst werden. Sicherlich ist Wohnungsbau auf der SC-Fläche nicht unproblematisch, aber wir lassen uns ungern das Denken darüber verbieten.
Friederich: Ehe man die Kartauswiesen zubaut – das wäre aus unser Sicht ein absoluter Tabubruch – dann doch lieber die SC-Fläche … Im Übrigen sind wir der Meinung, dass jeder Stadtteil seine Qualitäten hat, aber auch Aufgaben und Verantwortung für die Allgemeinheit und die Gesamtstadt übernehmen muss. Dort einzuknicken, wo sich am lautesten Widerstand regt, ist keine verantwortungsvolle Politik!

Dreisamtäler: Gibt es denn viele Konflikte im Freiburger Osten?
Thoma: Das, was andernorts als großes Projekt gilt und Widerstände hervorrufen würde, läuft hier relativ geräuschlos. Ein Beispiel ist das Ganter-Areal. Die Brauerei Ganter zieht sich zurück, ohne die Produktivität zu senken. Auf dem Areal baut z.B. jetzt die Tanzschule Gutmann, und entlang der Fabrikstraße entstehen Wohnungen in städtisch kompakter und verdichteter Form.
Friederich: Die freie Schule „Kapriole“ ist ein Beispiel für ein gelungenes Mediationsverfahren: Die Schule ist in nicht mehr sanierungsfähigen Baracken untergebracht und möchte deshalb neu bauen. Es gab Widerstand von Seiten der Bürger und des Naturschutzes. Der Bürgerverein hat diese Bedenken aufgegriffen und ist bei der Stadt vorstellig geworden, die daraufhin ein Mediationsverfahren durchgeführt hat. AWO und Kapriole als Bauherren, Anwohner, Naturschutz und Bürgerverein trafen sich alle an einem runden Tisch.
Thoma: Nach über dreißig Stunden in gemeinsamen Sitzungen konnten wir auf ein allseits akzeptiertes Ergebnis anstoßen. Das gelang deshalb, weil alle Seiten kompromissbereit waren. Ich bin überzeugt davon, dass dies zu einem sehr guten Ergebnis führen wird, von dem später alle sagen werden: die Situation ist viel besser als zuvor.

Dreisamtäler: Gibt es denn noch weitere Baustellen im Stadtteil?
Friederich: Wir wünschen uns, dass die Sanierung des Lycee Turenne endlich zum Abschluss gebracht wird. Ganze Gebäudetrakte stehen dort leer und die Schulen, die dort angesiedelt sind – die Emil-Thoma-Grund- und Realschulen, das Walter-Eucken-Gymnasium und die Richard-Mittermaier-Schule – haben einen großen Bedarf an weiteren Räumen. Hinzu kommt, dass das Gebäude in seinem Historismus-Stil ja sehr prägnant ist. Die Turnhalle des Lycee Turenne, die momentan nur als eine Rumpelkammer verwendet wird, könnte als Mensa für alle Schulen, die zum Teil Ganztagesschulen sind, hergerichtet werden.
Thoma: Leerstand verursacht ja auch Kosten, und eine Sanierung wird nicht billiger, wenn man sie vor sich her schiebt. Der Raumbedarf der Schulen wird von Seiten der Stadt nicht bestritten, er ist anerkannt. Aber andere Dinge hatten bisher Vorrang. Dieses Projekt liegt uns sehr am Herzen und wir hoffen auf eine Mitteleinstellung für den Doppelhaushalt 2015/16.

Dreisamtäler: Die Dreisam-Renaturierung ist in vollem Gange.
Friederich: Sie steht kurz vor dem Abschluss. Was noch kommen wird, sind Grillstellen. Die Stadt wollte sie nicht unbedingt, das Regierungspräsidium jedoch legt sie an – unter dem ganz praktischen Gesichtspunkt: wenn keine offiziellen Grillstellen eingerichtet werden, entstehen wilde. Vielleicht bekommt man die Müllproblematik dadurch auch besser in den Griff.

Dreisamtäler: Wie geht der Freiburger Osten mit der Flüchtlingsproblematik um?
Friederich: Wir halten das Flüchtlingsheim in der Hammerschmied Straße für relativ gut integriert. Es gibt einen Helferkreis der Dreifaltigkeitsgemeinde, Studenten und auch die Reinhold-Schneider-Schule, die sich um die Flüchtlinge kümmern. Insofern können wir uns auch vorübergehend eine Unterkunft in Containern in Littenweiler vorstellen. Die Strukturen für eine Integration sind vorhanden. Auch der Bürgerverein Littenweiler hat sich positiv dazu geäußert. Im Gespräch sind auch zwanzig Plätze für Flüchtlinge im Pfarrhaus Maria-Hilf, das von der Stadt gemietet werden soll, und in der Oberau hat das erzbischöfliche Ordinariat Wohnraum zur Verfügung gestellt. Das Motto: „viele kleine Unterbringungsmöglichkeiten an vielen Orten“ wird von uns voll mitgetragen. Im nächsten Jahr sollen die Container in der Hammerschmiedstraße, die völlig verwohnt sind, durch einen Neubau ersetzt werden. Bauherr ist die Stadtbau. Zunächst wird allerdings noch ein Lärmschutzgutachten abgewartet.

Dreisamtäler: Wir sprachen letztes Jahr auch über die Neubauten der Robert-Bosch-Stiftung bei der Kartaus. Auch sie ist nahezu abgeschlossen.
Friederich: Sorgen macht uns dort der Meierhof. Er ist nicht nur ein Denkmal, sondern auch in extrem schlechtem Zustand.
Thoma: Die Frage ist: wird es eine vernünftige Nutzung geben? Denn nur der Erhalt der Hülle, weil das Denkmalamt das fordert, ist nicht zielführend. Eine sinnfällige Nutzung wäre ein Cafe als Möglichkeit der Begegnung zwischen College und Menschen im Stadtteil. Die Robert-Bosch-Stiftung – so unser Eindruck – ist durchaus offen für eine derartige Nutzung.
Friederich: Das College muss alles, was es braucht, in den Gebäuden unterbringen, die jetzt da sind. Ein Mehr an Bebauung wird es nicht geben!
Thoma: Im Gegenteil: Das Johannisheim – eine Bausünde der 70-Jahre – soll dort langfristig ersatzlos abgerissen werden. Die Gebäude sind in die Jahre gekommen und für eine Alteneinrichtung ist der Standort dort denkbar schlecht.
Dreisamtäler: Meine Herren, vielen Dank für das Gespräch!

3.12.2014, Dagmar Engesser, Dreisamtäler, www.dreisamtaeler.de

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