Sharing-Economy

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Blick  über Wildblumen bei der Annakapelle in Freiburg-Ebnet nach Osten ins Dreisamtal bis hoch zum Schwarzwald anfang Juli 2014

Blick über Wildblumen bei der Annakapelle in Freiburg-Ebnet nach Osten ins Dreisamtal hoch zum Schwarzwald am 4.7.2014

 

 

Die Lebenslüge der Sharing Economy ist das „Gemeinnützige Teilen“
Sascha Lobo am 8.1.2015 in der ARD-Sendung www.panorama.de

 

 

Investoren machen Sharing-Economy zu Rendite-Kapitalismus

Teilen ist gut. Fünf Gartenbesitzer nutzen einen Rasenmäher gemeinsam. Wenn aber der Organisator (bei dem der Rasenmäher untergestellt ist) von der Nachbarschaft ins Internet wandert und dort schließlich vom renditeorientierten Marktführer RasenMaeh.de oder gar LawnMoverBnb.com übernommen wird, dann bleibt vom Teilen bzw. dem zugrundeliegenden Wert der gesellschaftlichen Solidarität nichts übrig, dann gilt Sharing-Economy.

(1) Sharing-Economy als Rettungsideologie:
Die Probleme des ungezügelten Kapitalismus mitsamt Wachstumseuphorie sind erkannt: Überproduktion, Ressourcenverschwendung, Wegwerfkultur, Umweltbelastung und Klimazerstörung. Die Rückbesinnung auf das Teilen, Ausleihen und Mieten von Produkten, Räumen und KnowHow, also auf Co-Konsum, Gemeinschaftsgedanke, „Zugang wichtiger als Besitz“, Nachhaltigkeit und Partizipation in der Wirtschaft verspricht Rettung. Durch das Internet mitsamt Smartphone-Apps wird diese Rettungsideologie hip und smart – sie nennt sich nun Sharing-Economy. Diese greift die ehrenamtlich getragenen Initiativen zum Teilen (Sharing) auf und installiert extrem renditeorientierte Online-Firmen  (Economy), die von Risikokapitalgebern mit riesigen Summen zur Marktreife hochgepusht werden.

(2) Beispiele der Sharing-Economy:
Wohnungsbörse www.airbnb.com . Privatpersonen können ein Zimmer oder die ganze Wohnung übers Internet untervermieten. Marktwert über 10 Mrd Dollar
Ridesharing-Portal www.uber.com  Private Mitfahrgelegenheit per App organisieren. Marktwert 17 Mrd Dollar  www.wundercar.org
Auto vermieten bzw. teilen: www.getaround.com , www.relayrides.com , www.zipcar.com
Essen und Kosten:  www.eatFeastly.com Bei Hobbyköchen zum Essen einladen lassen.
Kleider ausleihen: www.thredup.com
Hund ausführen: www.dogvacay.com
Parkplatz; www.parkatmyhouse.com Vor der eigenen Haustüre parken lassen.
Boot vermieten: www.boatbound.com
Werkzeug ausleihen: www.ziplok.com
Paketzustellung: www.myways.com  Ein Paket für andere beim Zusteller abholen.
Putzkräfte vermitteln: www.homejoy.com .
Arbeitskräfte versteigern: www.TaskRabbit.com  Jobber als Micro-Entrepreneurs
Jobs online: www.oDesk.com, www.mila.de; www.helpling.de www.bookatiger.de , www.cleanagents.com

(3) Idealistische Idee zu profitablem Geschäftsmodell machen
Die Website www.couchsurfing.org wurde anfangs von Ehrenamtlichen gratis programmiert und ins Internet gestellt, um eine tolle Idee zu verbreiten: Kostenfrei in einer Wohnung irgendwo auf der Welt übernachten, wenn man im Gegenzug einen Schlafplatz in den eigenen vier Wänden bereitstellt. Guter Co-Konsum für freundliche Menschen, die Vertrauen geben und erwarten. Inzwischen wurde daraus durch viel Risikokapital des Investmentunternehmens Omidyar Networks ein gewinnorientiertes Dotcom-Portal. Vom Werk und Engagement vieler freiwillig und ehrenamtlich arbeitender Programmierer, Gründer und Macherprofitieren jetzt einige wenige private Investoren. Die Sharing-Economy hat also eine idealistische Idee zu einem renditeorientierten Geschäftsmodell umfunktioniert.

(4) Sharing-Economy mißachtet Rechtsvorschriften
Die Taxibranche muß Rechtsvorschriften (Versicherung, Haftung, …) und Standards (Arbeitszeiten, Taxizentrale, …) einhalten, die Kosten verursachen. Der Privatchauffeur, der sein Auto mit einem Uber-Kunden „teilt“, kann sich diese Kosten sparen. Eine Fahrt mit Uber ist preiswerter als mit einem altmodisch-normalen Taxi, die 20% Vermittlungsgebühr vom Fahrpreis kassiert Uber, ohne wesentliche Kosten dafür zu haben.

(5) Online-Portale verdienen an dem, was alteingesessene Firmen anbieten
Der Verdrängungswettbewerb nimmt seinen Lauf: Immer mehr Taxis klagen über Zahlungsschwierigkeiten. In allen Städten entstehen Uber-Dependancen mit Mitfahrportalen, in denen sich dann die übriggebliebenen Taxis eintragen können. Natürlich müssen diese an Uber Gebühren zahlen mit der Begründung, dieses übernehme die Funktion der früheren Taxizentrale. Fazit: Uber hat alte Strukturen zerstört, zwingt deren Anbieter in seine kostenpflichtigen Online-Portale. Der gesamte Markt der privaten und kostenlosen Dienstleistungen (Mitfahrzentralen, Schwarze Bretter, Kleinanzeigen) wird durch Sharing-Economy per App so geändert, dass der Vermittler jedes Mal dazuverdient.

(6) Neues Prekariat von Online-Tagelöhnern durch Sharing-Economy
Das digitale Zeitalter erfindet unsere Wirtschaft neu. Nach Mitwohnen durch Airbnb und Mitfahren durch Uber geht’s nun an die Nachbarschaftshilfe-Jobs durch TaskRabbit, die Arbeitsaufträge jeglicher Art an die Crowd vergibt. Beispiel: Der Nutzer nennt Aufgabe (Kleider bei Reinigung abholen, Ikea-Möbel zusammenbauen) und Preis, die registrierten TaskRabbit-Häschen bewerben sich für den Job. Durch dieses „Microjobbing“ kann ein Auftraggeber manch lästige Aufgabe für kleines Geld outsourcen. Weltweit prügeln sich dann die Arbeitslosen, Rentner, Hausfrauen und mittellosen Studenten vor den Bildschirmen um diese kostbaren Aufträge. Die Versteigerungsplattformen für Onlinejobs bzw. Dienstleistungen TaskRabbit und oDesk (USA) sowie Mila und Helpling (Deutschland) haben erkannt, dass sozialversicherungspflichtige, ordentlich bezahlte und sichere Jobs nicht für jeden zu haben sind und unterstützen deshalb diejenigen, „die sich unkompliziert etwas hinzuverdienen“ – sie schaffen ein Prekariat an Online-Tagelöhnern. TaskRabbit schlägt aus wenig qualifizierter Arbeit mit Erfolg Rendite und hält sein Heer von Rabbits alias Microjobbern mit Methoden der Gamifikation bei Laune: Wie beim Computerspiel erhalten die Microjobber Punkte, wer durch Punktesammeln auf Level 5 ist, bekommt ein T-Shirt , ab Level 10 eigene Visitenkarten – alles schön.

(7) Sharing-Economy nutzt den Wohlhabenderen
Von Mitwohnportalen wie Airbnb profitiert vor allem die gehobene Mittelklasse. Je teurer das Zimmer, desto unproblematischer und distinguierter das Publikum. Je chicker die Wohnung in einer interessanten und teuren  Stadt, desto stressfreier die Vermietung und attraktiver die Rendite. Billige Unterkünfte und kumpelhaftes Vertrauen werden durch Vandalismus und Dreck bestraft – so Untersuchungen der Harvard University.

(8) Sharing-Economy ökonomisiert Zeit und Beziehungen 
Es ist noch kein Dotcom-Portal der Sharing-Economy bekannt geworden, das für „Einkaufen für den Nachbarn mit Gehfrei“ oder „Socken stricken für den Adventsbazar“ Webspace bereitstellt, da sich aus solch unrentablem Zeitvertreib  kein Profit generieren läßt. Denn „für einen guten Zweck“ ist nutzlos, da es sich nicht ökonomisieren läßt.
Unser ganzes Leben wird über Internet und App als Kapital vermarktet: Hobbykoch? Dann Essen-Events online . offerieren. Rentner vom Bauamt? Dann als Berater für Bauherren tätig werden. Samstags frei? Dann als Mikrounternehmer mitbieten. Natürlich als registrierter User in abc-sharing-xyz.com, natürlich incl. Nutzergebühren. Jeder wird zum Einzel-Mikro-Unternehmer. Nicht nur Fähigkeiten, sondern auch zwischenmenschliche Beziehungen werden „to make Money“ ins Internet gestellt.
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Fazit: Die Ressourcenprobleme von Konsumwahn und Globalkapitalismus lassen sich nicht über die Smartphone-Apps der Meins-ist-Deins-Ökonomie online lösen. Im Gegenteil: Die Geschäftsprinzipien der Marktführer der Sharing-Economy entsprechen dem Wertekanon des ungeregelten Kapitalismus.
Die vielen nicht nur jungen Menschen, die mit Stöpsel im Ohr und Display in der Hand rumlaufend ständig teilen, mitteilen, mieten, kaufen, informieren, einladen, …mögen sich auch noch so hip, smart, geil und modern vorkommen – sie liefern ihre persönlichen Daten permanent und gratis an diejenigen Dotcom-Unternehmen, die sich in der Sharing-Economy als Markt- oder Nischenführer durchgesetzt haben und mit diesen ihren Nutzerdaten so richtig viel Geld machen. Der Raubtierkapitalismus hat sich die Idee des Teilens gekrallt und im WWW zur Geldmaschine umfunktioniert.

Die Job-Portale schaffen einen neuartigen Niedriglohnsektor, an dem diese an den prekären Einnahmen ihrer FronarbeiterInnen (die natürlich noch das mikrounternehmerische Risiko tragen) über die Nutzergebühren noch mitverdienen. Dadurch entsteht eine Schattenwirtschaft, die nichts mehr mit dem ursprünglichen Ziel des Sharing gemein hat, ungenutzre Ressourcen durch gleichberechtigten Tausch zwschen Anbietern produktiv zu gestalten.
Die Mitwohn- und Mitfahr-Portale haben nichts mehr mit dem ursprünglichen Ziel des Teilens bzw. dem zugrundeliegenden Wert der gesellschaftlichen Solidarität gemein. Bei ihren App-basierten Geschäftsmodellen steht die Maximierung der Rendite von Investoren im Zentrum.
Sharing-Economy wandelt die ursprünglich altruistischen Ideen von gesellschaftlicher Solidarität sowie individuellem Teilen und Tauschen in ihr Gegenteil –  Geld machen.

 

 

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