Nai haemmer gsait – Wyhl-Film

Ein neuer Film „Wyhl? Nai hämmer gsait! – Der Widerstand gegen das Atomkraftwerk am Kaiserstuhl“ von Gogo Gensch wird am 10.Oktober 2013 im SWR-Fernsehen gezeigt. Previes’s zum Film gibt es am 30.9 in Freiburg und am 2.10. in Weisweil. Der Dokumentationsfilm erzählt die Geschichte dieses Widerstands und seiner Folgen. Sie erzählt die Geschichten von Menschen, die sich überwiegend anfangs nicht in Opposition zur Regierung und dem damals geltenden Fortschrittsglauben sahen, für die der „Kampf gegen das Atomkraftwerk“ einen Bruch in ihrer Biographie bedeutete, einen Einschnitt, der ihr Leben grundlegend veränderte. Der Film erzählt ein Stück „Heimatgeschichte“, die globale Auswirkungen und entscheidenden Einfluss auf die politische Geschichte der Bundesrepublik hatte.
Am 19. Juli 1973 gibt die Landesregierung Baden-Württemberg den Standort eines geplanten Kernkraftwerks bekannt: Wyhl im nördlichen Kaiserstuhl. Ministerpräsident Filbinger hat eine Vision: entlang des Rheins, grenzüberschreitend gemeinsam mit Frankreich, soll eine Industriezone entstehen, ein „Ruhrgebiet am Rhein“ mit tausenden von Arbeitsplätzen von Basel bis Frankfurt. Was an Rohstoffen fehlt, soll die neue, saubere Energiegewinnung aus Atomkraft wettmachen.
Doch kaum haben die Wyhler von den Plänen erfahren, regt sich der Widerstand. Aus dem ganzen Kaiserstuhl kommen die Menschen und demonstrieren. Bürgerinitiativen werden gegründet, Gutachter befragt, Informationsveranstaltungen organisiert. Es geht nicht mehr nur um die Angst vor klimatischen Veränderungen, auch die Gefahren durch Strahlung sind inzwischen Thema. Im Dezember 1974 fahren besorgte Bürger nach Stuttgart, um mit ihren Abgeordneten zu sprechen. Sie werden nach langem Warten schließlich angehört, aber sie fühlen sich nicht ernst genommen. Auch nicht bei der Bürgerversammlung, die im Januar 1975 stattfindet und bei der die Gutachter der Kernkraftgegner nicht zugelassen werden.
Ein Bürgerentscheid in Wyhl bringt einen Sieg der Befürworter, aber die Gegner geben nicht auf. Ende Februar soll mit dem Bau des AKW begonnen werden, doch nach einer Pressekonferenz bleiben die Gegner einfach auf dem Platz und besetzen ihn. Es sind überwiegend Winzer, Bauern, Hausfrauen, Rentner und Handwerker, viele, die bislang mit der Politik der regierenden CDU einverstanden waren. Die Landesregierung setzt Polizei mit Hunden, Schlagstöcken und Wasserwerfern gegen die gewaltfreien Besetzer ein. Die Räumung sorgt bundesweit für Aufsehen und wird im Kaiserstuhl nicht mehr vergessen.
Wenige Tage später demonstrieren 28.000 Menschen in Wyhl. Der Platz wird erneut besetzt, diesmal für neun Monate. Die Versuche der Landesregierung, die Besetzer als „Kommunisten“ abzutun, scheitern an der Realität. Es sind nach wie vor vor allem die Bürger vor Ort, die auf dem Platz sind, unterstützt von Bürgerinitiativen aus dem ganzen Südwesten, der Schweiz und dem Elsaß. Sie gründen die Volkshochschule Wyhlerwald, in der Informationsveranstaltungen und Liederabende stattfinden. Sie holen Wissenschaftler aus der ganzen Welt zusammen und üben den gewaltfreien Widerstand. Winzerinnen führen Stücke von Brecht auf, Liedermacher komponieren alemanische Protestsongs und erste Solaranlagen werden erdacht. Zum ersten Mal tritt eine Landesregierung mit Bürgerinitiativen in Verhandlungen und man einigt sich auf ein juristisches Verfahren, das beide Seiten Gehör verschafft.
Die kleine Gemeinde Wyhl wird weltweit zum Symbol für den erfolgreichen Widerstand von Bürgern aus allen Schichten gegen die Pläne ihrer Landesregierung und letztlich einer neuen politischen Orientierung hin zur Basisdemokratie. Ein neues politisches Bewusstsein ensteht. Und auch ein ökologisches. Aus dem Widerstand gegen das Atomkraftwerk am Kaiserstuhl entstehen das Ökoinstitut und die Partei „Die Grünen“ und es wird der Grundstein zum Umdenken in Sachen Atomkraft gelegt.
18.9.2013

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