Schlechtes Honigjahr 2012

Heimischer Honig ist in diesem Jahr knapp. Wegen frostiger Temperaturen im April und Mai hat sich schon die Obstblüte fast ohne Bienenbeteiligung vollzogen. Und dann war auch noch die spätsommerliche Waldtracht ausgeblieben. Oder wie die Imker sagen: Der Wald hat nicht gehonigt. Der Landesverband Badischer Imker spricht vom schlechtesten Honigjahr seit Jahrzehnten. Auch Alfred Dold, Imker aus Stegen-Eschbach und Vorsitzender des Imkervereins St. Peter, hat in diesem Jahr gerade mal ein Zehntel der letztjährigen Erntemenge von seinen 20 Völkern erhalten. „Wobei 2011 ein Spitzenjahr war“, sagt er. Aber auch gemessen am mehrjährigen Schnitt ist die Honigmenge von etwa 110 Kilogramm bescheiden, die Dold in diesem Jahr insgesamt schleudern und abfüllen konnte. Von Berufskollegen weiß er, dass sie gänzlich ohne Ausbeute die Saison beschließen mussten. In einem mittleren Jahr sammelt ein Volk, das im Hochsommer auf bis zu 50 000 Tiere anwächst, 20 bis 30 Kilogramm Honig, im Spitzenjahr 2011 waren es 50 bis 60 Kilogramm. Der sprichwörtliche Bienenfleiß lässt sich veranschaulichen: Bis zu 40 Ausflüge macht eine Honigbiene am Tag und besucht dabei ungefähr 4000 Blüten. Eigentlich ist das Anwesen von Alfred Dolds im Scherlenzendobel hinter Stegens Ortsteil Eschbach perfekt für Bienen. Zwar liegt es auf etwa 700 Meter Höhe, weshalb der Frühling spät Einzug hält, aber den ganzen Sommer über gibt es normalerweise Futter satt für Bienen: Wiesenblumen, Obstbaumblüten und die Waldtracht in einem nah gelegenen Weißtannengebiet. In diesen Tagen Mitte Oktober blüht auf den Wiesen noch das gelbe Habichtskraut und an den Waldrändern das Springkraut. Was Artenschützer nicht so gern sehen, weil sich das Indische Springkraut massenhaft vermehrt und dabei heimische Pflanzen verdrängt, sei für die Imker ein Glück, meint Alfred Dold. „Denn ab August finden die Bienen sonst nicht mehr viel“, sagt er. 15 Beuten hat er in diesen Tagen am Waldrand stehen. Das sind die Holzkästen, die der Imker den Bienen als Behausung zur Verfügung stellt. An den Ausflugöffnungen ist ein Kommen und Gehen. Mit dem gelben Pollen aus den Habichtskrautblüten befrachtete Bienen landen, andere tragen den weißgrauen Blütenstaub der Springkrautblüten auf dem Rücken.

Alfred Dold am Hilzihäusle Januar 2007

Eigentlich sammeln die Bienen Pollen, um die Brut zu ernähren, der Blütenstaub liefert Eiweiß. Auf den Nektar hingegen sind sie wegen dessen Zuckergehalt aus. Und Honig produzieren sie, um Vorräte für den Winter anzulegen. Der entsteht, indem die Tiere den Nektar aufsaugen, in ihrem speziellen Honigmagen verändern und in Waben zusammen mit dem Pollen einlagern soweit sie beides nicht unmittelbar an die Brut verfüttern. Versorgt mit Winternahrung – die Doldschen Bienen kriegen in Lindenblütentee gelösten Zucker – wird der Imker die 15 Völker Anfang November nach Eichstetten am Kaiserstuhl verfrachten, damit sie dort nächsten März bei der zeitig einsetzenden Frühjahrsblüte mitwirken können.
In diesem Jahr war kaum etwas zu holen, gleichgültig, ob Bienen im Rheintal, am Kaiserstuhl, in der Vorbergzone oder im Hochschwarzwald deponiert waren. Die Imker mussten ihre Völker sogar füttern. „Im April, als die Obstblüte auf dem Höhepunkt war, war es für die Bienen einfach zu kalt. Und später hat es zu viel geregnet“, erklärt Alfred Dold. Wenn es kälter als zehn Grad Celsius ist, fliegen Bienen gar nicht aus. Loslegen konnten Dolds Bienen erst im Juni nach ihrem Umzug in die Umgebung Donaueschingens, wo die Rapsfelder blühten. In städtischen Siedlungsgebieten blühten in dieser Zeit die Linden, so dass der eine oder andere Imker Lindenblütenhonig gewonnen hat.
Abgesehen von Nektar und Pollen saugen die Bienen auch den klebrig-süßen Saft von Insekten auf, woraus beispielsweise der würzige Wald- und Tannenhonig entsteht. Aber in diesem Jahr war eben auch die Waldtracht ausgeblieben. Das heißt, dass sich nicht genug Honigtauerzeuger entwickelt hatten. Das sind Insekten, etwa die grüne Tannenhoniglaus und die große schwarzbraune Tannenrindenlaus sowie bestimmte Schild- und Rindenläuse, die auf die verschiedenen Nadel- und Laubbäume spezialisiert sind. Mit Saugrüsseln ausgestattet stechen diese Tierchen die zuckerführenden Leitungsbahnen in der Rinde an, um den Pflanzensaft zu aufzusaugen. Dabei nehmen sie Mineralien und Eiweiß auf und scheiden Zucker aus, den wiederum die Bienen aufnehmen.
Warum sich die Honigtauerzeuger in einem Jahr massenhaft vermehren und dann wieder nicht, ist weitgehend unerforscht. Schon seit 1977 beobachten Wissenschaftler der Landesanstalt für Bienenkunde an der Universität Hohenheim im ganzen Schwarzwaldgebiet die Populationsentwicklung der wichtigsten Arten.
An diesen Erhebungen beteiligt ist auch Armin Spürgin, Fachberater für Bienenhaltung im Regierungsbezirk Freiburg. „Es müssen 60 bis 70 Honigtauerzeuger pro Quadratmeter Zweigfläche vorhanden sein, damit sich eine ordentliche Waldtracht ergibt“, erklärt er. Mitte Juni war abzusehen, dass daraus nichts wird. Eine Prognose für das nächste Jahr will er nicht geben. „Derzeit ist der Besatz gut, was ein günstiges Anzeichen ist. Denn im Oktober und November legen die Weibchen ihre Eier ab. Aber ob dann im nächsten Jahr wirklich eine Massenvermehrung eintritt, ist von vielen Faktoren abhängig, die sich heute noch nicht abschätzen lassen.“
Silvia Faller, 24.10.2012

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