Böse Demo – Gute Gegendemo

Demonstrationen nehmen zu. Einerseits erfreulich im Hinblick auf die Mündigkeit der Bürger und das Funktionieren des Rechtsstaats. Andererseits besorgniserregend angesichts der Häufung von Krisen: Grenzöffnung 9/2015, Corona 2020 und nun Ukrainekrieg.
Als nach Exekutive, Judikative und Jurisdiktion Vierter Gewalt kommt den Medien die Aufgabe zu, ausgewogen und objektiv zu berichten und so die anderen drei Gewalten zu kontrollieren. Demzufolge darf es keine a priori Differenzierung von guter Demo und böser Demo geben. In der freiheitlich-demokratischen Grundordnung ist jede Demo zunächst ein positives Zeichen bürgerlicher Willensbekundung.
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Seit Budapest 9/2015 fühlen sich demonstrierende Bürger von den großen Medien (Mainstream) schlecht behandelt, weshalb sie über alternative Medien (freie Medien, Internet, Social Media) kommunizieren. Eine traurige Entwicklung hin zu einer medialen Spaltung, besonders dann, wenn in der lokalen Presse nur ein großer Anbieter als Quasi-Monopolist berichtet. Als Beispiel hierzu dokumentieren wir einen Bericht in der Badischen Zeitung (BZ) über eine Friedensdemo in Freiburg (1) sowie die Gegendarstellung des Veranstalters FreiseinFreiburg (2), die allerdings nicht als Print, sondern nur auf dessen Website bzw. bei Telegram zu lesen ist.
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Für Waffenstillstand und Friedensverhandlungen im Ukrainekrieg demonstrierten in Freiburg nach FreiseinFreiburg am Samstag 1.4.2023 (siehe oben) auch das Freiburger Friedensforum am Gründonnerstag 6.4.2023. Über letztere Demo der Friedensbewegung berichtete die BZ überaus wohlwollend (siehe hier).
Zwei Demos, gleiches Anliegen, Querfront-ähnlich, beide friedlich, aber unterschiedliche Mediendarstellung. Hier zeigt sich, wie unsinnig die mediale Unterscheidung „Gute Demo – Böse Demo“ der BZ ist.

Eine Aufgabe für einen rechercheorientierten Journalismus à la Hanns-Joachim Friedrichs wäre gewesen, auf beiden Demos mitzulaufen und mit den Leuten zu reden. Dann hätten die BZ-Journalisten nämlich festgestellt, daß viele Bürger der FreiseinFreiburg-Demo auch auf der Friedensforum-Demo mitliefen und z.T. auch umgekehrt. Ich bin auf beiden Demos mitgelaufen und finde mich bei der Zeitungslektüre einmal als guter und das andere Mal als weniger guter Mensch. Was soll das?
Warum berichtet die BZ nicht über die Initiativen „Frieden schaffen“ um Peter Brandt (Sohn von Willy Brandt) sowie „Aufstand für Frieden“ von Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht bzw. ignoriert sie weitgehend? Sind dies alles „böse Demos?“
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Die Links-Rechts-Dichotomie taugt immer weniger, und in Sachen Frieden schon mal gar nicht – Frieden ist weder links noch rechts, sondern gesunder Menschenverstand. Auch in der Zeitung.
Der Wunsch: Die BZ verabschiedet sich vom langweiligen Haltungsjournalismus incl. Nudging und überläßt es dem Leser, sich seine Meinung selbst zu bilden. Dazu ist er als mündiger Bürger nämlich imstande. Positiver Nebeneffekt: Die Verkaufszahlen der dadurch interessanter werdenden Zeitung nehmen zu. Denn auf eine Lokalzeitung sind wir als im Breisgau ansässige Somewheres nun mal angewiesen.

10.4.2023
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Ende von Beitrag „Böse Demo – Gute Gegendemo“
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Begin von Anlagen (1) – (3)
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(1) Friedensdemo von Freisein-Freiburg schwach besucht bei stürmischem Wetter
Impfgegner von Freisein-Freiburg haben aufgerufen, für Frieden in der Ukraine zu demonstrieren. Doch es kommen weit weniger Menschen als von den Organisatoren erhofft. Es ist wohl zu kalt.
Statt der avisierten 800 haben sich am Samstag, 1. April bis zum Abmarsch lediglich rund 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf dem Platz der Alten Synagoge eingefunden, um mit Freisein-Freiburg nicht wie gewohnt gegen Coronamaßnahmen zu protestieren, sondern gegen den Krieg in der Ukraine. Im Lauf des Protestzugs kamen Teilnehmende hinzu, die Polizei schätzt die Zahl in der Spitze auf 370.
Altbekannter Zungenschlag
Auf das Kriegsthema hat sich die Anti-Corona-Bewegung nach dem Wegfall der staatlichen Pandemie-Maßnahmen geworfen. Nicht ohne altbekannten Zungenschlag: „Aus dem Spiel mit der Angst aussteigen!“, „Digitale Überwachung stoppen“ oder „Schluss mit den Lügen“ ist auf Transparenten und Plakaten zu lesen, die pünktlich ab 15 Uhr durch die Innenstadt getragen werden. Vereinzelt sind auch „Pace“-Regenbogenflaggen zu sehen.
Prorussische Haltung
Die Haltung von Freisein-Freiburg zum Krieg in der Ukraine ist klar pro Russland. Gefordert wird ein Stopp der deutschen Waffenlieferungen, die sofortige Öffnung der Nordstream-II-Pipeline und die Aufnahme von Friedensverhandlungen. Ein wichtiges Anliegen der Demo scheint zu sein, dem kapitalistischen Westen, insbesondere den USA, die Verantwortung für den Krieg zuzuordnen. „Hungern für den Profit – es reicht!“ steht auf einem Plakat.
Lautstarke Gegenkundgebung
Die knapp 100 Gegendemonstrantinnen und -demonstranten sind damit alles andere als einverstanden. Das Bündnis Freivac, bislang als Gegenbewegung gegen Querdenker profiliert, hat sich ebenfalls den Krieg in der Ukraine zum Sujet erkoren und die Veranstaltung organisiert – unterstützt von der Deutsch-Ukrainischen Gesellschaft.
Auf den Treppen vor dem Stadttheater haben sich die Freunde der Ukraine positioniert und so die Freisein-Kundgebung immer im Blick. „Corona, Pazifismus, Ihr bleibt bei Schwurbeln und Faschismus“ ist eines der Plakate die neben der ukrainischen Fahne hochgehalten werden.

Friedenstauben
Vielleicht ein gutes Omen: Auf beiden Seiten des Platzes ist die weiße Friedenstauben auf blauem Grund zu sehen. Bei jener auf der Seite der Gegendemonstranten scheint es sich allerdings um die einer Freisein-Delegation zu handeln, die den Kontakt zur anderen Seite sucht. Die Stimmung bleibt, bei aller Gegensätzlichkeit, friedlich.
… Alles vom 1.4.2023 bitte lesen auf
https://www.badische-zeitung.de/friedensdemo-von-freisein-freiburg-schwach-besucht-bei-stuermischem-wetter–251962604.html
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31.3.2023
https://www.badische-zeitung.de/impfgegner-demonstrieren-jetzt-fuer-frieden-in-der-ukraine-und-kriegen-gegenwind
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(2) Stellungnahme von FreiSeinFreiburg zur Berichterstattung der Badischen Zeitung über die Demo „Friedensverhandlungen jetzt“ am Samstag, 1. April 2023
Eines der ungelösten Probleme für die Badische Zeitung ist die Frage, warum FreiSeinFreiburg, das sich im Zuge des Widerstandes gegen die Corona-Maßnahmen gegründet hatte, sich nun mit dem Thema Ukraine-Krieg befasst. Gemutmaßt wird, man wolle einen „Protest aus Prinzip“ in die Freiburger Innenstadt tragen und suche sich das Thema aus, das am meisten Anhänger verspricht.
Nein, liebe BZ, so ist es nicht. Leider setzte sich die einseitige, undifferenzierte Berichterstattung der Medien über die Corona-Politik nahtlos im Ukraine-Krieg fort. Wo vorher Kritiker verschwiegen, an den rechten Rand verschoben oder als Verschwörungsideologen gebrandmarkt wurden, wurde seit Kriegsbeginn die Gleichung Ukraine gut, Russland schlecht in allen Variationen durchgespielt. Geostrategie und Geschichte spielten keine Rolle mehr, der 24. Februar 2022 war der Tag X. Der Ukraine-Krieg ist nicht das einzige Thema, mit dem die Bevölkerung durch undifferenzierte Berichterstattung der Medien zur Sichtweise der Regierungslinie manipuliert wird. Doch dieser Krieg stellt aktuell durch eine als alternativlos propagierte Eskalationspolitik, die das Potential hat, in einen 3. Weltkrieg zu führen, die größte Gefahr für unsere Freiheit und Sicherheit dar.
So stellt auch Herr Fritsch in seiner Ankündigung der Demo in der BZ vom 1.4. fest, dass die Forderungen der FreiSeinFreiburg-Demo keine Kritik an Russland enthalten, offensichtlich eine Voraussetzung, um seine Haltung zum Frieden zu verdeutlichen.
Auch Herr Uhrig schreibt (im Online-Artikel vom 1.4.), wer Forderungen wie einen Stopp deutscher Waffenlieferungen, die Öffnung von Nord Stream 2 und die Aufnahme von Friedensverhandlungen möchte, kann nur prorussisch sein. In der gedruckten Ausgabe vom 3.4. heißt es nur noch „die prorussische Freisein-Freiburg-Demonstration“ ohne weitere Erklärung. Wir sehen unsere Forderungen als „pro menschlich“ und zwar für Ukrainer und Russen. Kein weiteres Blutvergießen, kein sinnloses Morden und Vergewaltigen und alle weiteren Gräuel eines Krieges. Gegen Russland zu sein, bedeutet demnach, weitere Waffenlieferungen, keine Friedensverhandlungen und weiteren tausendfachen Mord auf beiden Seiten. In seiner Rede sagte Uwe Sacher deutlich „Wir sind nicht für Russland, wir sind nicht für die Ukraine, wir sind für die Menschen in diesen Ländern!“
Während der Beitrag des SWR weitgehend ausgewogen und neutral beide Seiten zu Wort kommen lässt, zieht die BZ alle Register, die Demo von FreiSeinFreiburg negativ zu bewerten. Es sind die „Impfgegner“, die früher gegen „das Impfen polemisierten“, die für ihre Friedensdemo, auf die sie sich nach Corona „geworfen haben“, „weit weniger Menschen als erhofft“ gewinnen konnten.

Dagegen steht das Bündnis FreiVac, das sich als „Gegenbewegung gegen Querdenker profiliert“ hat. Das „profilierte Bündnis“ startete im Februar letzten Jahres eine große digitale Unterschriftenaktion in Freiburg, organisierte eine Gegendemonstration gegen FreiSeinFreiburg und versank danach in der Bedeutungslosigkeit. Keiner der prominenten Unterstützer von damals fand sich auf den Theatertreppen ein. Der Gegenprotest wurde zum allergrößten Teil von der Deutsch-Ukrainischen Gesellschaft getragen. Im sicheren Westen feuert man den Krieg, dem täglich Landsleute zum Opfer fallen wohl gerne an.

Zum Schluss noch ein Wort zu den Zahlen: Sowohl online als auch gedruckt nannte man die Zahl 200 Teilnehmer für die Friedensdemo und 100 Gegendemonstranten. Nach der Mail eines unabhängigen Journalisten fragte man dann doch einmal bei der Polizei nach (wie sonst auch üblich) und korrigierte die Teilnehmerzahl im Online-Bericht auf 370. Auf Bildern lässt sich die Zahl der Gegendemonstranten gut nachzählen, sie lag in der Spitze bei gut 60 Personen. Auch hier – die BZ schafft sich ihre eigene Wirklichkeit.
… Alles vom 7.4.2023 bitte lesen auf
https://freiseinfreiburg.de/stellungnahme-von-freiseinfreiburg-zur-berichterstattung-der-badischen-zeitung-ueber-die-demo-friedensverhandlungen-jetzt-am-samstag-1-april-2023/

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(3) Es geht um den Frieden, und der sollte uns alle ein Miteinander wert sein
Ich war auf der Friedensdemo, um zusammen mit anderen Menschen meinen Wunsch um Frieden kundzutun. Erstaunt nahm ich vor dem Theater eine Gegendemo wahr. Keine Antikriegsdemo, die standen da, weil sie gegen uns waren.
Einige Teilnehmer waren, was mich zutiefst betroffen machte, Ukrainer, die in uns einen Feind sahen. Ich, ein Feind der Ukrainer, wie kommen die auf diesen Gedanken? Und dann schaute ich um mich und fragte mich, wer von den Mitdemonstranten Ukrainegegner ist? Warum gehen wir nicht gemeinsam, fragte ich mich außerdem? Von einigen Leuten an der Seite wurden wir beschimpft, wir seien Rechte, dies fanatisch und abstrus begründet.
Wir sind Menschen, die für den Frieden auf die Straße gehen, aber keine Rechte. Im weiteren Verlauf erfuhr ich, dass wir alle Putinfreunde seien. Noch so eine verrückte Ansicht. Ich bin gegen Waffenlieferungen und für Verhandlungen! Ich denke, solch eine Meinung sollte man doch haben dürfen, ohne angefeindet zu werden.
Gegen Waffenlieferung wird übersetzt mit Putinfreund. Ein bisschen kurz gedacht, meine ich. Ich bin übrigens ein Russlandfreund, aber Russlandfreund ist nicht gleichzeitig Putinfreund. Je mehr ich das Land liebe, umso mehr ist mir Putin zuwider. Mit dem Herzen bin ich bei den Menschen der Ukraine und in Russland.
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Woher also der Hass gegen die Demonstranten? Eine Ursache könnte bei der einseitigen Berichterstattung der BZ liegen, die so einspurig, manipulierend formuliert ist, dass dem neutralen Leser ein negatives Bild der Friedensdemo entstehen muss, zumal dann in der Montagsausgabe der BZ von einer prorussischen Demonstration gesprochen wird.
Dies ist keine neutrale Berichterstattung! Es spricht der Journalist offensichtlich seine subjektive, äußerst negative wirkende Meinung aus, und ließ mich wissen: Ich war bei den Schlechten, und die Anderen waren die Guten. Ich meine: Wir sollten einen Weg finden, um zusammen gehen zu können, auch bei unterschiedlichen Anschauungen zum Lösen des Konfliktes.
Miteinander und nicht gegeneinander, sonst sind wir im eigenen Verhalten nicht weit entfernt, von dem, was im Kriegsgebiet geschieht. Es geht um den Frieden, und der sollte uns alle ein Miteinander wert sein.
17.4.2023, Stefan Bohl, Gundelfingen, BZ
https://www.badische-zeitung.de/es-geht-um-den-frieden-und-der-sollte-uns-alle-ein-miteinander-wert-sein–255057301.html
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Kommentar:
Ja, die Medien haben mit ihrer Rechts-Links-Manipulation seit 2015 unsere früher offene und freie Diskussionskultur zerstört. Anders in der Schweiz: Auf der Friedensdemo am 11.3.2023 in Bern konnte ich interessante Gespräche führen mit Eidgenossen der SP (entspricht unserer SPD), ohne als Nazi oder Putinfreund beschimpft zu werden. E.K.
Ende Kommentar

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