Heilpflanzenschule von Ursel Buehring – Kraeuter

Acetylcholin und Geisteskraft – Ursel Bühring über Heilkräuter und ihre Wirkung auf Körper und Seele. „Was wirkt, kann auch Nebenwirkungen haben“, sagt die Freiburgerin Ursel Bühring (62) und warnt vor Gutgläubigkeit.
Kapuzinerkresse und Johanniskraut, Cranberrys und Kamille: Ursel Bühring kennt sich mit Kräutern aus. 1997 hat sie die Freiburger Heilpflanzenschule als bundesweit erste Ausbildung für Phytopraktiker gegründet. In ihrem neuen Buch empfiehlt sie „Kuren für Körper und Seele“.Ist gegen jedes Leiden ein Kraut gewachsen, Frau Bühring?
Gegen viele Leiden und in der Vorbeugung bestimmt sogar gegen alle. Zu behaupten, dass man jede Krankheit mit Heilpflanzen heilen kann, wäre allerdings unseriös. Doch um gesund zu bleiben, muss man nur auf den Markt oder die Wiese gehen und findet eine Fülle an Pflanzen. 

Welchen Stellenwert haben Heilkräuter heute im Vergleich zu Schulmedizin: Sind sie Ersatz  oder Ergänzung?
Ersatz sind sie auf keinen Fall. Aber Umfr gen zeigen, dass 70 Prozent der Deutschen zu Naturheilmitteln greifen, viele davon zu Heilpflanzen. Die Biowelle ebbt seit 30 Jahren nicht ab, die Menschen werden immer naturbewusster, viele haben wieder einen Garten oder Balkon, wo sie etwas anpflanzen, das Urban Gardening boomt. Auch in der Schulmedizin ist die Phytotherapie, das Heilen mit Pflanzen, inzwischen angekommen. Die Wirkung der Heilpflanzen wird in zufallsgesteuerten Studien nachgewiesen, die so streng sind wie jene, die Pharmaprodukte untersuchen.

Als Beleg für die Wirksamkeit von Kräutern nennen Sie wissenschaftliche Studien und traditionelleÜberlieferungen gleichermaßen. Bestätigten sich neues und altes Wissen immer – oder oft überhaupt nicht? Ich meine, man sollte weder wissenschaftsgläubig sein, noch am Alten hängenbleiben – das Beste ist ein Miteinander. Natürlich gibt es immer wieder Fälle, in denen sich eine überlieferte Wirkung nicht betätigt. Wir sprechen da von Indikationslyrik, wenn eine Pflanze gegen alles und jedes helfen soll und amEnde noch den Krebs heilt. Es geht mir darum, genau hinzuschauen und zu differenzieren. Dann aber ist es oft erstaunlich, wie viel vom alten Wissen wissenschaftlich bestätigt wird. Etwa die Zitronenmelisse: Vor 400 Jahren hieß es, sie sei ein „Geistesbeschleuniger“. In neuer Zeit fandman das durch denHirnbotenstoff Acetylcholin  bestätigt. 

Und wie beschleunigt das Acetylcholin den Geist? Eine Studie ergab,dass die kognitiven Fähigkeiten von Probanden, die zuvor Zitronenmelisse eingenommen hatten, deutlich erhöht waren, sie konnten schneller und besser rechnen. Weitere Untersuchungen zeigten dann, dass bei ihnen vermehrt Acetylcholin im Gehirn vorhanden war, weil die Zitronenmelisse dafür sorgt, dass es weniger schnell abgebaut wird. Und ich könnte mir gut vorstellen, dass diese Pflanze eines Tages ein Mosaikstein werden kann bei der Behandlung von Alzheimerpatienten, die nämlich einen verminderten Acetylcholingehalt im Gehirn haben. 
 
Von Cranberrys bis Aloe Vera: Was ist davon zu halten, wenn Pflanzen so gehypt werden? Auch bei diesen  Modedrogen gilt es, genau hinzuschauen,was die Pflanze wirklich vermag und wo sie richtig eingesetzt ist. Aloe Vera zum Beispiel ist eine wunderbare Heilpflanze zum Abführen und bei Hautverbrennungen. Doch plötzlich sollte sie angeblich gegen alles Erdenkliche helfen – was findigen Geschäftemachern den Geldbeutel gefüllt hat. Cranberry ist ein tolles Mittel zur Vorbeugung und Behandlung von Blasenentzündungen, weil sie verhindert, dass Bakterien an der Blasenwand andocken und sich vermehren können. Doch sie ständigundohne Pause einzunehmen, ist nicht zu empfehlen. Problematisch ist auch, dass bei diesen Hypes viele Hersteller aufspringen und Präparate anbieten, bei denen man nicht weiß,wie viel von dem Wirkstoff drin ist und wie er sich mit den anderen Inhaltsstoffen verträgt.

Viele denken, mit Kräutern könne man nichts falsch machen. Ein Irrtum? Ja, es herrscht oft Gutgläubigkeit. Viele meinen, die Natur sei immer gut. Aber was wirkt, kann auch Nebenwirkungen haben.
Die Angaben in Ihrem Buch sind sehr präzise. Teebeutel in die Tasse, Wasser drauf, kurz warten, trinken – das bringt gar nichts? Doch, das bringt schon etwas, wenn der Tee der richtige und von guter Qualität ist. Apotheke, Drogerie und Naturkostladen kann man da vertrauen. Allerdings sollte ich mich damit beschäftigten, wie ich den Tee zubereite: Koche ich die Kräuter drei Stunden, überbrühe ich sie mit kochendem oder lediglich mit heißen Wasser oder setze ich sie kalt an? Darauf kommt es an. 

Aber wer es ernst nimmt, baut Kräuter selbst an oder sammelt? Das wäre unrealistisch, dazu haben die wenigsten Menschen heute Lust und Zeit. Es gibt sehr gute Präparate fertig zu kaufen. Wer sammelt, der muss sich gut auskennen, aber selber anbauen kann man auf dem kleinsten Balkon und für wenig Geld.

Wie merke ich, ob ich mir selbst mit Kräutern helfen kann oder einen Arzt brauche? Wenn die Beschwerden  nach ein, zwei, drei Tagen nicht besser werden oder sogar schlimmer, wenn ich Blut im Urin habe oder Fieber, dann sollte ich zum Arzt oder Heilpraktiker gehen – allein zur Abklärung und um mir die Angst zu nehmen. Wenn die Beschwerden aber abklingen, kann ich beruhigt sein, dass der Weg stimmt und mit den Heilkräutern fortfahren.
Sigrud Rehm, 11.9.2012, www.der-sonntag.de

Ursel Bührung: „Kuren für Körper und Seele –Organe pflegen mit Heilpflanzen“
Ulmer Verlag, 24,90 Euro
Das Buch wie eine „Wanderkarte“ zu nutzen und sich zunächst dem Organ zuwidmen, das gerade Unterstützung brauchen kann.

https://www.freiburg-schwarzwald.de/blog/kuren-fuer-koerper-und-seele/ (30.11.2012)

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