700000 € ausgeben oder reden

700.000 Euro will Freiburg ausgeben, um den Synagogenbrunnen ’nachzubessern‘ mit Zonierungsband (alemannisch Absperrband), Synagogenmodell und Infostelen. Alles gut gemeint. Aber angenommen die Stadt hätte das viele Geld nicht oder wollte es statt in die Nachbesserung lieber in den Neubau von Kitas investieren. Dann wäre man gezwungen, „von Sprachlosigkeit zu Kommunikation“ überzugehen,wie es ein Leserbriefschreiber (siehe unten) so treffend formuliert:
Mit den Eltern reden, damit sie ihre Kids nicht so wild im Wasser planschen lassen.
Mit den  Schülern debattieren, damit sie den Gedenkbrunnen nicht weiter mit einer klimagerechten Wassertretstelle verwechseln.
Mit den Partygängern sprechen, damit sie den Bierkasten aus dem kühlen Wasser nehmen.
Parler avec les touristes, speak with the tourists, damit diese die Umrisse der 1869 erbauten und am 10.11.1938 in Brand gesetzten Synagoge erkennen.
Und dann mit Freude feststellen: Alle, mit denen Sie am Gedenkbrunnen auf dem Platz der Alten Synagoge reden und debattieren, zeigen Verständnis und Dank für Ihre Hinweise zu Freiburgs jüdischer Vergangenheit.
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Wenn Besucher sich am Synagogenbrunnen irgendwie ‚falsch‘ verhalten, dann liegt dies nicht an bösem Willen oder absichtlicher Respektlosigkeit, sondern schlicht an deren Unwissenheit. Diese läßt sich ganz einfach beheben, indem man sie anspricht und miteinander redet. Alle meine solchen Gespräche am Brunnen als Erinnerungsort stießen auf Verständnis.
Wer glaubt, sich dieses „Miteinander reden“ ersparen zu können, indem man viel Geld (sage und schreibe 700000 Euro) in Verbotsschilder, Zonierungsbänder und bauliche Barrieren investiert, der wird scheitern: Die Schilder werden getackert werden, die Zonierungsbänder (erinnert irgendwie an Ostzone bzw. Zonenrandgebiet) durchschnitten und die Stufen überhüpft. Allerdings: Das „Miteinander reden“ am Platz der Alten Synagoge muß man als Freiburger auch wollen und es kostet Zeit.
15.6.2019
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Von Sprachlosigkeit zu Kommunikation – Wissen weitergeben und konservieren
Leserbrief zu „Stadt Freiburg will …“, BZ vom 27. April (s.u.):
Positiv denken! Kinder und Jugendliche plantschen und spielen in dem flachen Wasser des Brunnens der alten Synagoge. Ist es nicht eine Chance, die Erinnerungskultur dahingehend anzukurbeln, dass Kinder über das attraktive Element Wasser, von diesem Ort des Gedenkens, angezogen werden? Und dort dann mit Hilfe von Informationstafeln, erzählenden Großeltern oder Eltern und deren Geschichten mehr erfahren, über all das Leid jener Zeit. Hier wird es möglich sein, dieses Wissen weiterzugeben und zu konservieren, um eine Brücke vom Gestern zum Jetzt zu schaffen. Von Sprachlosigkeit zu Kommunikation.
Und wenn der Besucher seinen Kindern erzählt, von den Gräueltaten der Nazis, dann ist das eine gute Mischung aus Negativem der deutschen Geschichte hin zum Positiven in der aktuellen Zeit. So wird die Gelegenheit geschaffen, mit unseren Kindern an einem Ort zu sein, der sonst von den meisten Kindern nicht erreicht werden würde.
Wir können das Geschehene nicht ungeschehen machen, aber wir können mit positivem Denken und Handeln eine neue Türe öffnen für unsere Kinder, und die junge Generation, wo Gedenken lebendig und offen gelebt werden.
12. 6.2019, Hans-Peter Schöll, Freiburg, BZ
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Am Platz der Alten Synagoge kann Freiburg es kaum allen recht machen
Die Stadt Freiburg will den Platz der Alten Synagoge nachbessern. Auch bei diesem Anlauf der Befriedung ist mit Aufregung und Unbehagen zu rechnen. Von der Kunst, alle Seiten zu Wort kommen zu lassen. …
Der Platz der Alten Synagoge ist ein Magnet. Von wegen öd. Dieser Platz füllt sich beim kleinsten Hauch schönen Wetters flächendeckend, und bereitete so auch Teil drei von Aufregung und Unbehagen: stilles Gedenken und quirliges Platzbespielen wollen nicht so richtig funktionieren. 700.000 Euro nimmt nun die Stadt in die Hand, um diese Quadratur des Kreises zu bewerkstelligen – in Abstimmung – endlich – mit allen drei jüdischen Gemeinden. Und mit dem Vorhaben mittels Info-Stelen, Synagogenmodell und Zonierung eben doch eine Art Zweiheit dieses belebten Platzes und seiner Wasserflächen herzustellen. Man ahnt auch für diesen Anlauf der Befriedung etliche Aufregung und Unbehagen. Und wünscht sich, dass allen Stimmen Gehör geschenkt wird. Den diversen jüdischen Stimmen genauso wie den quirligen Platzbesuchern. Denn nach Jahrzehnten Tatenlosigkeit um diesen Platz ist all das nun lebendige Stadtgesellschaft, die um gute Kompromisse ringt.
… Alles von Julia Littmann vom 13.5.2019 bitte lesen auf
https://www.badische-zeitung.de/kommentare-1/am-platz-der-alten-synagoge-kann-freiburg-es-kaum-allen-recht-machen–173010069.html
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Stadt Freiburg will 700.000 Euro für den Umbau des Synagogenbrunnens investieren
Mit Umbauten und Zusatzinfos will das Rathaus auf dem Platz der Alten Synagoge für einen würdevollen Umgang mit dem Erinnerungsbrunnen sorgen. Eine digitale Informationsstele, ein Synagogenmodell, ein Zonierungsband mit Inschrift sowie Piktogramme sollen künftig verhindern, das der Brunnen weiterhin als Planschbecken genutzt wird. ….
Zentraler Bestandteil des Maßnahmekatalogs ist jedoch eine Zonierung. Dieses rechteckige und mit circa zwei Zentimeter Abstand um den Brunnen laufende und nachts beleuchtete Band soll bei den Platznutzern die Sensibilität für den Ort des Erinnerns erhöhen. Wie breit die künftige „Grenze“ wird und wie sie exakt aussieht, sei noch nicht geklärt, sagt Martin Haag. Der Baubürgermeister weiß aber auch: „Das muss schon sichtbar sein.“ Fest steht hingegen, dass das auf die Granitplatten gesetzte Zonierungsband an der Oberfläche beschriftet wird. „Denn mein Haus wird ein Haus des Gebetes für alle Völker genannt werden – Jesaja 56,7“. Dieses Zitat, das in ähnlicher Fassung am Eingang der Alten Synagoge stand, soll in acht Sprachen um das Band laufen.
… Alles vom 27.4.2019 bitte lesen auf
https://www.badische-zeitung.de/freiburg/stadt-freiburg-will-700-000-euro-in-den-umbau-des-synagogenbrunnens-investieren–171975702.html

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Schweigende Mehrheit für planschende Kinder
Herr Kilian und auch der von ihm zitierte Herr Heine vermuten eine schweigende Mehrheit, der „jegliches Verständnis für die Kritik“ an den planschenden Kindern an heißen Tagen fehle. Wir bekennen uns als Teil dieser schweigenden Mehrheit und würden, wie Herr Brandsch, es als eine Schande empfinden, wenn (auch unter dem Einsatz beträchtlicher Summen an Steuergeldern) der schöne offene Platz, wie er jetzt existiert, durch irgendeine Art von Absperrung verunstaltet werden würde. Die Mitbürger, die Solches als Respektierung ihrer Gefühle zu benötigen glauben, tun uns leid. Vielleicht können sie sich zu der Meinung durchringen, dass die Achtung der Lebensfreude der Kinder als Respektierung des Lebens einen höheren Wert darstellt, und sich zudem an dem frohen Treiben erfreuen.
17.6.2019, Barbara Goebel und Hans-Dietrich Heilmann, Freiburg, BZ
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Schande: Spielende Kinder oder Absperrung?
Ich muss immer wieder staunen über Zustände, die als Schande bezeichnet werden. In meinen Augen kann es keine Schande sein, wenn kleine Kinder sich ihre heißen Füßchen in einem Wasserbecken abkühlen und fröhlich spielen. Eine Schande ist für mich die Tatsache, dass Architekten, Stadträte und Jüdische Gemeinde nicht soweit gedacht haben, dass so ein Wasserbecken unwiderstehliche Anziehungskraft auf Kinder haben wird. Eine Schande ist für mich das Bild mit der Absperrung um den Gedenkbrunnen. Eine Schande ist für mich, 700 000 Euro Steuergelder in einen Umbau zu vergraben.
11.6.2019, Jürgen Brandsch, Freiburg

 

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Die Stadt versucht mit fraglichen Maßnahmen, den Konflikt um den Synagogenbrunnen zu befrieden
Auf dem Premium-Platz der Stadt und seinem Brunnen liegt kein Segen. Dabei ging es so gut los. Wettbewerb, Bürgerbeteiligung, Jury. Die Umgestaltung von Freiburgs Mitte schien perfekt geplant. Doch mit den entdeckten Fundamentsteinen und dem installierten Wasserbecken auf dem Grundriss der Alten Synagoge begann der Konflikt.
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Im Mai kündigte die Stadtspitze deshalb an, mit 700000 Euro künftig für mehr Infos und mehr Würde zu sorgen und der Gemeinderat stimmte zu. Das sorgte wiederum zu Protesten – völlig zu Recht. Denn ob digitale Stele, Zonierung und Modell letztlich für einen anderen Umgang am Brunnen sorgen, ist zweifelhaft. Da hilft es auch nicht, wenn das Rathaus sich jetzt bemüht zu erklären, die Vorhaben könnten auch günstiger zu realisieren sein.
… Alles von Fabian Voegtle vom 26.6.019 bitte lesen auf
https://www.badische-zeitung.de/muenstereck-zweifelhafte-bemuehungen
https://www.badische-zeitung.de/diskussion-um-das-richtige-erinnern-am-synagogenbrunnen-geht-weiter
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Warum um Gottes Willen ist es nicht möglich, dass man Gedenken und Lebensfreude vereint? Irgendwann ist es auch mal genug und man bewirkt genau das Gegenteil: Ablehnung.
26.6.019, CH.M.
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Vielleicht sollte man den Brunnen einfach wieder weg machen. Dann pflatschen da auch keine Kinder mehr und beschmutzen das Andenken. Ich finde die Diskussion unwürdig.
26.6.2019., M.V.
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So lange Raum für derartig sinnlose Diskussionen ist, ist die schlechte Finanzlage in Freiburg noch lange nicht schlecht genug.
26.6.2019, ST.B.

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