2054 – Dystopie oder Prognose?

Nach den Dystopien „1984“ von George Orwell, „Farm der Tiere“ und „Schöne Neue Welt“ von Aldous Huxley sowie „Die Unterwerfung“ von Michel Houellebecq (2001) wagt sich auch mal ein deutscher Autor mit „2054“ an die Frage, ob aus unserer Demokratie heraus ein Totalitarismus wachsen könnte oder würde.
In seinem Zukunftsroman „2054 – ein Jahr im Paradies der Genügsamkeit“ schildert Wulf Bennert, em. Physikprofesor aus Weimar, wie die junge Mathematiklehrerin Carlotta mit der neuen Zeit in ca 30 Jahren so zurecht kommt oder auch nicht. Dystrophie oder Prognose?
1) Die Öko-/Klimadiktatur ist im Jahr 2054 schon lange da. Der mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 29.04.2021 ausgestellte und von Politik und Medien bejubelte juristische Persilschein
„Künftig können selbst gravierende Freiheitseinschränkungen zum Schutz des Klimas verhältnismäßig und verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein“
wurde erfolgreich angewendet: Nach einer gewaltigen Rezession ist die Bevölkerung zwar verarmt, aber sie lebt zufrieden im Zustand der Bedürfnislosigkeit, die von den wenigen oberen Ungleichen zur zentralen, für alle gleichen Tugend erklärt worden ist. Wie in jeder Diktatur gibts auch in dieser viele Gleiche und wenige noch Gleichere.
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2) Das Weltklima konnte durch das Ersetzen von Ideologie durch Ratio innerhalb des deutschen Wirtschaftssystems zwar noch immer nicht gerettet werden, aber man hat ja sein Bestes und Gutes dafür getan im kleinen Deutschland.
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3) Bildung ist unwidersprochen menschengemacht: Das konsequente Umsetzen des Gleichheitsprinzips (Abi für alle, Uni für alle, …) hat zu einem gewaltigen Absinken des Bildungsniveaus geführt.

4) Macht nichts, denn die „endlich gendergerechte Grammatik“ ist so einfach, alle (er, sie, es, bigender, genderfluid, agender, demogirl, demoboy wie neutrois) sie verstehen. von oben nach unten ist alles durchgegendert. Schade nur, daß die in 2021 noch vorhandenen über 200 Gender-Professuren längst aufgelöst sind, da die Öko-Mächtigen die jährlichen Kosten von über 60 Mio Euro nicht mehr zahlen konnten.
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Der Roman liest sich gut, nur bereitet der Ausblick auf die freudlose Gesellschaftsordnung in 2054, die wir heute in Politik und Medien so begeistert herbeisehnen, doch ein ungutes Gefühl. Die bange Frage „Sind wir 2021 auf dem Weg in dieses 2054?“ oder „Gibts das schon 2044 oder gar 2034?“
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Beruhigend aber ist, daß  auch in diesem Zukunftsroman trotz aller linken gendernd-verarmenden Gleichmacherei der „neue Mensch“ auch 2054 nicht in Sicht ist, denn es menschelt ganz altmodisch bzw. normal: „Noch immer stand Carlottas Zahnbürste im Bad von Alexanders luxuriöser Dienstwohnung“. Sie mochte Alexander, den um 14 Jahre älteren Staatsfunktionär in privilegierter Stellung – und er sie wohl auch.
„Liebe Carlotta, … jetzt möchte ich für Dich eigentlich einen romantische Liebesbrief verfassen, doch andere Gedanken drängen sich vor – ich verschiebe das Projekt „Liebesbrief“ auf einen späteren (nicht allzu fernen!) Zeitpunkt. Du erhältst nun stattdessen ein Schreiben, das niemals in die Hände eines Dritten gelangen sollte. Dies hätte für mich vermutlich nicht nur einen tiefen sozialen Absturz zur Folge, der mich auf dem Boden der Grundsicherung aufschlagen ließe, er könnte mich auch ins Gefängnis bringen – „Freunde“, denen dies eine Genugtuung wäre , habe ich genug.“
Also Denunziation innerhalb des Establishments der Gleicheren. Nun beschreibt der alte Gleichere namens Alexander der jungen Gleichen namens Carlotta ganz offen und ehrlich all die Armutsrisiken der real existierenden Öko-Diktatur, wie z.B.: Industrialisierung ade, Große Transformation der Marktwirtschaft in eine Befehls-, Plan- bzw. Staatswirtschaft. Verzicht auf preiswerte Energie. Blackout ab und zu. Batteriemobilität ohne Strom. Oligarchie der Politeliten der Gleicheren. Digitaler Neuro statt Euro. Kontrolle statt freier Meinungsäußerung.
Carlotta ist verwirrt und streichelt ihren weißen Robo-Malteserhund. Es ist Frühjahr. Später erfährt sie, das Alexander entlassen wurde „aus gesundheitlichen Gründen“ – sie weiß genau, was dies in einer Diktatur heißt. Und kurz vor Weihnachten ist er tot. In seinem Abschiedsbrief liest sie „Komm nicht zu meiner Beerdigung!“, da sie ja bespitzelt werden könnte. Wie es weiter geht im Zukunftsroman „2054“ wird hier nicht verraten. Auch nicht, ob dieses Buch des Physikprofessors Wulf Bennert aus der ehem. DDR nun Distophie oder Prognose ist?
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Ein Zukunftsroman zu einer linken Öko-Diktatur, in der alle gleich sein sollen, aber in der wenige doch gleicher sind – eben diejenigen, die wissen, wie man alles per Plan retten kann und deswegen privilegiert sind: Zu letzteren gehört Alexander.
Das Buch ist insofern leicht zu lesen, als man so schön mitfühlen kann mit Carlotta, die ausbrechen will aus der verordneten Konformität und Gleichheit, um als Lehrerin etwas für ihre Schüler zu bewegen und als Frau in das Establishment, die „Kaste der Gleicheren“, ihres lieben Alexanders zu gelangen. Und man kann mitleiden mit Alexander, der weiß, daß der sozialistische Plan der Privilegierten nur nach unten in Richtung Verarmung der Gleichen funktioniert, nicht aber in Richtung Klimawandel, da dieser sich auf zentralen Befehl überhaupt nicht retten lassen will.

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Vier Anmerkungen:
I. George Orwell lieferte 1949 mit „1984“ die negative Utopie (Dystopie) eines totalitären Überwachungssystems. Noch in den 1970er Jahren konnten sich die Studenten über „Big brother is watching you“ lustig machen, da der Slogan so weit von der Realität entfernt schien. Dem heutigen Leser von „1954“ hingegen kommt die Beschreibung des implantierten Chips bei Carlotta (lehrt sie ihren Schülern auch das „Richtige“?) und bei Alexander (ist er als privilegiertes Regierungsmitglied auch linientreu ohne „abweichende Meinung“?) als Beschreibung der Realität vor.
II. „Wie kommt es, daß dieses Land so verarmt ist?“ – diese Frage stellt die Lehrerin Carlotta ihrem Großvater sowie ihrem Geliebten. Beide verweigern die sofortige Antwort aus Angst vor Repressionen. Der Opa als Betreiber eines inzwischen bankrotten Öko-Bauernhofs ist eh in der Grundsicherung gelandet. Und Alexander bettelt in seinem späten Antwortbrief um Geheimhaltung, die ihm aber mißlingt. Angst und Zwang herrscht über den Gleichen, den vielen Carlotta’s da unten, wie auch über den Gleicheren, den wenigen Alexanders’s da oben.
III.  Ideologie und Machterhalt prägen die Ökodiktatur, nicht die Freiheit des Einzelnen. Mehr noch: Die individuelle Freiheit wird geradezu pervertiert: Zwang als Freiheit sowie Einschüchterung als Freiheit. Hast du nichts, bist du nichts und nimmt der Staat dir alle Sorgen ab, dann bist du frei.
IV. Das Buch „2054“ firmiert als Zukunftsroman. Dabei haben alle Leser, mit denen ich gesprochen habe, eher den beklemmenden Eindruck, daß es sich bei dem Buch um eine „erweiterte, pointierte Realitätsbeschreibung“ handelt. Sind wir nicht bereits mittendrin in den Umbau der freiheitlich-demokratischen Grundordnung in einen totalitären Kontrollstaat?
11.6.2021

Wulf Bennert:
„2054 – Ein Jahr im Paradies der Genügsamkeit“
224 Seiten, 16,80 Euro , 5/2021
https://www.kaleidoscriptum-verlag.de
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Gender in der Ökodiktatur lange vor 2054

Was würde „Thomas Mann“ zu Gender sagen?

Frau Männin’s alias Thomas Mann’s wichtige Werke: Der Zauberinnenberg, Doktorin Faustina, Die Erwählte, Marion und der Zauberer, Die Tod in Venedig, Herrin und Hündin, Josepha und ihre Schwestern.
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Biergarten nach Corona wieder geöffnet, aber wie?
„Ich möchte bitte eine Radlerin.”
„Oh, leider funktioniert unsere Zapfhenne nicht.”
(Münchner Biergartenwitz 6/2021)

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